Schwangerschaftsabbruch gemäss Fristenregelung bis 12+0 SSW
25.01.19 - komplett überarbeitet und neu erstellt
- Ablauf und Vorgehen
- Inhalte Beratungsgespräch
- Medikamentöse Interruptio
- Chirurgische Interruptio
- Follow-Up
- Vorgehen bei Restmaterial
- Gesetzliche Grundlagen
Ablauf und Vorgehen
Termin-Planung im gynäkologischen Ambulatorium
- Zuweisung von extern mit klar formuliertem Wunsch nach Interruptio: das Beratungsgespräch mit Erfüllung der notwendigen Formalitäten und die Abgaben von Mifegyne / Cytotec bzw. die OP-Planung können ggf. in einer Konsultation durchgeführt werden sind alle Inhaltlichen Punkte erfüllt.
- Selbstzuweisung: je nach Situation und Einschätzung des beratenden Arztes / der beratenden Ärztin kann die direkte Abgabe von Mifegyne/Cytotec bzw. die OP-Planung durchgeführt werden ODER ein Folgetermin vereinbart werden.
Beachte: es gibt in der schweizerischen Gesetzgebung keine Bedenkfrist. Es ist also nicht zwingend notwendig, zwei Termine für die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches zu planen.
Folgende Punkte müssen gemäss Gesetz auf jeden Fall für die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs gemäss Fristenregelung erfüllt sein:
- innerhalb von 12 Wochen seit Beginn der letzten Periode
- schriftliches Gesuch der Schwangeren muss vorliegen
- die Schwangere muss urteilsfähig sein. Nicht urteilsfähige Schwangere benötigen die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung
- die Schwangere muss eingehend beraten werden und über die gesundheitlichen Risiken des Eingriffs informiert worden sein.
- Leitfaden mit Verzeichnis Beratungsstellen und Unterstützung muss abgegeben werden.
- Schwangere Frau unter 16 Jahren: Der Arzt muss sich persönlich vergewissern, dass sich die Frau an eine für Jugendliche spezialisierte Beratungsstelle gewandt hat (ELBE).
Inhalte Beratungsgespräch
- Klare Formulierung des Wunsches nach einer Interruptio durch die Schwangere
- Psychische Auswirkungen: häufigste Gefühle nach Interruptio sind Erleichterung, vorübergehende Schuldgefühle, Traurigkeit, Verlustgefühl (Lit 1)
- Ultraschall (Nachweis Gestationssack intrauterin inkl. Dottersack oder Embryo)
- Beratungsgespräch mit Abgabe des Leitfadens mit Verzeichnis der Beratungsstellen
- Ansprechen der Möglichkeit auf Adoption
- Beratungsgespräch über Methoden, Kontraindikationen, Risiken und UEW
- Ausfüllen des schriftlichen Gesuchs durch die Schwangere
- Blutgruppenbestimmung oder Blutgruppenausweis
- Antikonzeption besprechen
- Meldung an den Kantonsarzt ist vorausgefüllt
- Schwangere Frau unter 16 Jahren: Der Arzt muss sich persönlich vergewissern, dass sich die Frau an eine für Jugendliche spezialisierte Beratungsstelle gewandt hat (ELBE).
Medikamentöse Interruptio
- Bis 7+0 SSW zugelassen
- Zwischen 7+1 SSW und 9+0 SSW off-label use von Mifegyne bei uns angeboten
- Abgabe von Mifegyne 3x200mg unter ärztlicher Aufsicht
- bei Erbrechen innert 90 Minuten Wiederholung der Einnahme
- Mitgabe von Cytotec 2x200ug zur Einnahme zu Hause nach 36-48 Stunden
- Rezeptierung von Analgesie: Irfen 400mg Tbl bis 3x1/Tag, Co-Dafalgan 500/30mg bis 8x1/Tag
- Rezeptierung von Antiemese bei Bedarf: Itinerol B6 Kps, 2 Kps 12-stündlich bei Bedarf
- AUF 100% 1-5 Tage je nach Arbeit
- Rophylac wenn Rhesus negativ
- In Ausnahmefällen kann zur Cytotec-Einnahme und Ausstossung ein Bett via Bettendisposition organisiert werden.
- Meldung an den Kantonsarzt ist ausgefüllt und unterschrieben
Chirurgische Interruptio
- bis 12+0 SSW
- Risiken: Infektion, Verletzung von Organen durch Perforation (Darm, Blase, Gefässe), ggf. Laparoskopie, Restmaterial, Vernarbung im Cavum mit ggf. erschwerter Konzeption
- Mitgabe von 2x200ug Cytotec zum Zervix-Priming 3-4 h vor OP (in der Regel po. Applikationsweg po, vaginal, rektal gleichwertig.)
- OP-Anmeldung: Curettage zur Interruptio
- Rophylac am OP-Tag wenn Rhesus negativ
- AUF 100% 1-5 Tage je nach Arbeit
- Meldung an den Kantonsarzt ist ausgefüllt und unterschrieben
- WICHTIG: Intraoperative sonographische Kontrolle immer via Transvaginal-Ultraschall! Eine transabdominale Ultraschall-Untersuchung ist nicht ausreichend!
- Bei chirurgischer Interruptio mit transvaginal-sonographischer Dokumentation (im PACS gespeichert!) kann auf die Nachkontrolle verzichtet werden.
Follow-Up
Für das Follow-Up gibt es zwei Möglichkeiten:
1) Nachkontrolle mit TVUS
Kontrolle nach 10-14 Tagen inkl. TV-Ultraschall und Beginn bzw. Besprechung der künftigen Antikonzeption
2) Selbständige Kontrolle durch die Patientin
Es ist optional möglich, einen Schwangerschaftsabbruch mit minimal einer Konsultation vorzunehmen:
- Abgabe des SS-Test zur selbständigen Durchführung nach 10-14 Tagen. (Produkt «CheckTOP», Cut-Off 1000U/L)
- Beachte: ein regulärer SS-Test kann bis ca. 6 Wochen nach dem Ereignis positiv sein und ist für diese Anwendung NICHT geeignet!
Einschlusskriterien für dieses Vorgehen:
- Gemäss Einschätzung des Arztes kann die Patientin sowohl sprachlich wie auch kognitiv adäquat über das Vorgehen aufgeklärt werden und ist in der Lage, das Vorgehen zu verstehen und durchzuführen
- Die Patientin ist mit dem Vorgehen einverstanden und ist instruiert, in welchen Fällen sie sich erneut vorstellen muss.
- Bis 9+0 SSW (beachte: in der Schweiz ab 7+1 SSW off-label- use von Mifegyne)
- Hb > 85 g/L
Kriterien für Wiedervorstellung
- Blutung nach Cytotec ausgeblieben oder schwach
- CheckTop-SS-Test nach 2 Wochen positiv
- Persistierende Schwangerschaftssymptome wie Brustspannen, Nausea
- Ausbleiben der Menstruation > 5 Wochen
- Sehr starke Blutung, Kreislaufinstabilität
- Starke Schmerzen
- Fieber
Vorgehen bei Restmaterial
Das Vorgehen bei Restmaterial nach Interruptio ist das gleiche wie bei Missed abortion. Siehe dort.
Gesetzliche Grundlagen
Der Schwangerschaftsabbruch ist im Schweizerischen Strafgesetzbuch in Artikel 118 – 120 geregelt. Darin ist auch die sogenannte "Fristenregelung" enthalten.
Auszug Art. 119
2 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist ebenfalls straflos, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten.
3 Ist die Frau nicht urteilsfähig, so ist die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreterin oder ihres gesetzlichen Vertreters erforderlich.
5 Ein Schwangerschaftsabbruch wird zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet wird und das Arztgeheimnis zu wahren ist.
Auszug Art. 120
1 Mit Haft oder mit Busse wird die Ärztin oder der Arzt bestraft, die oder der eine Schwangerschaft in Anwendung von Artikel 119 Absatz 2 abbricht und es unterlässt, vor dem Eingriff:
a. von der schwangeren Frau ein schriftliches Gesuch zu verlangen;
b. persönlich mit der schwangeren Frau ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten, sie über die gesundheitlichen Risiken des Eingriffs zu informieren und ihr gegen Unterschrift einen Leitfaden auszuhändigen, welcher enthält:
1. ein Verzeichnis der kostenlos zur Verfügung stehenden Beratungsstellen,
2. ein Verzeichnis von Vereinen und Stellen, welche moralische und materielle Hilfe anbieten, und
3. Auskunft über die Möglichkeit, das geborene Kind zur Adoption freizugeben;
c. sich persönlich zu vergewissern, dass eine schwangere Frau unter 16 Jahren sich an eine für Jugendliche spezialisierte Beratungsstelle gewandt hat.
Autor: Tatjana Magi / Ivo Fähnle
Autorisiert: Ivo Fähnle
Version: 25.01.2019