Notfall-Kontrazeption

Inhaltsverzeichnis

Notfallkontrazeption (Emergency contraception - EC)

Anamnese

  • LP. Zyklusanamnese. Fertiles Fenster -5 bis +1 Tag nach der Ovulation
  • Wiederholter ungeschützter Geschlechtsverkehr (unprotected sexual intercourse - UPSI) oder EC im gleichen Zyklus?
  •  Kontraindikationen beachten (siehe Tabelle)
  • Aktuelle Anwendung Kontrazeptiva

Aufklärung

  • Arzt oder Apotheker müssen bezüglich Notfallkontrazeption beraten und diese ggf rezeptfrei abgeben!
  • Minderjährige: bei Urteilsfähigkeit muss die Abgabe auch an minderjährige Jugendliche erfolgen. Die Information von Eltern / Erziehungsberechtigten verstösst gegen die Schweigepflicht! 
  • In der Aufklärung ist verständlich zu machen, dass nach Notfallkontrazeption für den verbleibenden Zyklus verhütet werden muss. 

  • Antikonzeptionsberatungsgespräch sollte angeboten werden (kann auch im Verlauf stattfinden).

Untersuchung

Durchführung Schwangerschafts-Schnelltest im Urin obligat! 

eventuell TVUS: die sonographische Festestellung ob die Ovulation bereits stattgefunden hat (Follikel vs Corpus luteum) kann bei der Wahl der EC helfen (Cu-IUD nach Ovulation). 

Selbstzahlerleistung

Das Depotleistung muss an der LUKS-Kasse vorgängig bezahlt werden, dies gilt auch nachts / in Dienst-Zeiten. 

Verhaltensmassnahmen / Informationen an die Patientin

Grundsätzlich: Zusätzliche Verhütung mit Kondom / sichere Antikonzeption bis zur nächsten Periode, falls keine Menstruation: Schwangerschafts-Schnelltest selbständig durchführen. 

Oraler Notfallkontrazeption

  • bei Erbrechen innerhalb 3 h nach Einnahme sollte diese wiederholt werden
  • Nebenwirkungen (siehe Tabelle) sowie Interaktionen beachten.
  • Information zur weiteren Anwendung der orale Antikonzeptiva.
  • Keine Einnahme von Alkohol, Nikotin, Drogen
  • Nach der Einnahme kann die folgende Menstruationsblutung einige Tage früher (wahrscheinlicher bei LNG) oder später (wahrscheinlicher bei UPA) als erwartet auftreten. Bei Ausbleiben der Menstruationsblutung mehr als 7 Tagen nach erwartetem Menstruationszeitpunkt: Schwangerschafts-Schnelltest selbständig durchführen. 

Weiterführung einer bestehenden hormonellen Kontrazeption

  • nach LNG (Norlevo): 
    • bestehende hormonale Kontrazeption weiterführen
    • 7 Tage zusätzlich mit Kondom verhüten (9 Tage bei Qlaira®)
  • nach Ulipristal
    • 14 Tage zusätzlich mit Kondom verhüten (16 Tage bei Qlaira®)
    • WICHTIG: Die Wirkung von Ulipristalacetat 30 mg wird durch den Start von Desogestrel 75 μg (Cerazette od Generikum) ab dem Tag danach aufgehoben. 

      Hat eine Patientin die Einnahme eines hormonellen Kontrazeptivums versäumt und möchte deswegen eine Notfallkontrazeption anwenden, so muss man ihr dazu raten, die Einnahme des hormonellen Kontrazeptivums mit der Einnahme des Notfallkontrazeptivums Ulipristalacetat 30 mg abzubrechen, die nächste Menstruation abzuwarten und mit dem ersten Tag der Blutung die Einnahme des nächsten Blisters zu beginnen. Wird dies nicht so gehandhabt, ist von einer relevanten Beeinträchtigung der Wirkung von Ulipristalacetat auszugehen (1). 
  • IUD: Lagekontrolle nach 6 Wochen mit Schwangerschafts-Schnelltest.

Optionen der Notfallkontrazeption

Produkt

Levonorgestrel
(NorLevo 1.5mg)

Ulipristalacetat
(EllaOne 30mg)

Wirkung

Verhinderung des LH- Anstiegs und somit des Eisprungs.

Verzögerung / Stopp der Eizellreifung (je nach Zeitpunkt der Einnahme in der Follikelphase, die Ovulation um bis zu 5 d nach hinten verschoben)

Anwendung

bis zu 72 Std. (3 Tage) nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr

bis zu 120 Std. (5 Tage) nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr

Nebenwirkungen

Sehr häufig (> 1/10) bei LNG und häufig (≥ 1/100 bis < 1/10) bei UPA verspätete Menstruation (> 7 Tage), stärkere Menstruation, Schmier- und unregelmäßige Blutungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Spannungsgefühl in der Brust, Übelkeit, Schmerzen im Unterbauch.

Interaktionen

Die gleichzeitige Gabe von CYP3A4-Induktoren (z. B. Rifampicin, Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepin, Johanniskraut/Hypericin, Ritonavir, Efavirenz) kann zu einer verringerten Wirksamkeit führen und wird deshalb nicht empfohlen. In diesen Fällen (Einnahme von enzyminduzierenden Arzneimitteln innerhalb der letzten 4 Wochen) sollte auf die Möglichkeit zur Einlage einer Kupferspirale hingewiesen werden. Diese stellt die sicherste Form der Notfallkontrazeption dar.

Für Frauen, die keine Kupferspirale verwenden können oder möchten, ist die Einnahme einer doppelten Dosis Levonorgestrel (d.h. zwei Tabletten zusammen eingenommen [3000 Mikrogramm] innerhalb von 72 Stunden nach dem ungeschützten Verkehr) eine Alternative.

Stillzeit

LNG tritt in die Muttermilch über. Eine einmalige Exposition im Rahmen einer postkoitalen Verhütung (sog. Pille danach) erfordert keine Stillpause. 

UPA geht in die Muttermilch über. Der Übertritt geschieht in den ersten 24 Stunden nach Einnahme, die Peak-Konzentration erreicht 0.8% der mütterlichen Serum-Konzentration.

Es gibt bisher keine Daten zu kindlichen Auswirkungen. 

Milch verwerfen für 24 Stunden vorsichtshalber empfohlen. 

(Information Embryotox-Zentrum Berlin)

Besondere Vorsichtsmassnahmen

Bei schweren Leberfunktionsstörungen wird die Anwendung von LNG und UPA nicht empfohlen. 

Eine wiederholte Anwendung von LNG oder UPA innerhalb desselben Menstruationszyklus wird nicht empfohlen. Sie sollte wegen der unerwünscht hohen Hormonbelastung für die Patientin und möglicher schwerer Zyklusstörungen unterbleiben.

UPA: Die Anwendung bei Frauen mit schwerem Asthma, die durch die Einnahme von Glucocorticoiden behandelt werden, wird nicht empfohlen.

Anderes

Führt in einer Dosierung von 1,5 mg nicht zum Schwangerschafts-Abbruch. Exposition in der Früh-Schwangerschaft ist kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch.

Schwangerschaftsrate: erste 24 h 1,5 %, dann Anstieg auf 2.6% bis 72 h. 

Kein erhöhtes Thromboserisiko

Evidenz: 2 randomisierte Studien mit > 2500 Frauen

Führt in einer Einzeldosis von 30 mg nicht zum Abbruch einer bestehenden Schwangerschaft. Exposition in der Früh-Schwangerschaft ist kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch.   

Eingeschränkte Wirksamkeit : BMI > 35 kg/m2, Anwendung von Enzyminduktoren

Schwangerschaftsrate bis 72 h 0.9 %, danach 1.6 - 2.1 % (je nach Studie). 

Kein teratogenes/EUG Risiko/Thromboserisiko

Evidenz: 2 randomisierte Studien mit > 2000 Frauen

 

Cu-haltiges IUD

  • Zugelassen bis 120 h nach UPSI, kann belassen werden
  • Sinnvoll / einzig wirksame Notfallkontrazeption bei peri-/postovulatorisch (innerhalb der ersten 24 h nach der Ovulation)
  • Stillzeit: ja
  • KI: akuter Infekt, Schwangerschaft
  • Wirkmechanismus: Cu-Ionen behindern die Spermienmotilität, Befruchtung, Eizellwachstum zu jedem Zeitpunkt im Zyklus
  • Schwangerschaftsrate: < 1 % (kein teratogenes Risiko), wirksamste Notfallkontrazeption.
  • Aufklärungsprotokoll IUD E-Consent

Vergessene Pille

7- Tage- Regel bei vergessener Pille (gilt nur für 21/7 "Standard"-Pillen!)

  • < 12 h seit letzter Pille :Vergessene Pille sofort einnehmen und fortfahren wie bisher ohne zusätzliche Schutzmassnahmen
  • Verlängerung der Pillenpause oder Vergessen von einer oder mehreren der ersten 7 Pillen: (Ellaone®/ NorLevo® Uno), anschliessend reguläres Einnahmeschema weiter und zusätzliche Kontrazeption bis zur nächsten Mens, mind. 14 Tage
  • Vergessen von einer bis zwei der mittleren 7 Pillen (8-14): Kein Ellaone®/NorLevo® Uno nötig. Gewohntes Einnahmeschema weiter. Zusätzliche Kontrazeption für 7 Tage
  • Vergessen von einer oder mehreren der letzten 7 Pillen: angebrochene Packung verwerfen und nächste Packung sofort ohne Pause anschliessen. Keine zusätzliche Kontrazeption

Züricher Handbuch Familienplanung, 2017

Übersicht Vorgehen vergessene Pille Pharmasuisse

 

Vorgehen vergessene Pille "Qlaira" (Auszug Fachinformation)

Eine vergessene Einnahme von (weissen) Placebo-Filmtabletten kann ignoriert werden. Sie sollten jedoch weggeworfen werden, damit das Intervall zwischen den Einnahmen der aktiven Filmtabletten nicht versehentlich verlängert wird.

Die folgenden Empfehlungen beziehen sich nur auf die vergessene Einnahme aktiver Filmtabletten:

Wird die Filmtablette weniger als 12 Stunden zu spät eingenommen, ist der kontrazeptive Schutz nicht vermindert. Die Filmtablette soll sofort eingenommen werden. Die folgenden Filmtabletten sollen wieder zur üblichen Zeit eingenommen werden.

Wird die Tabletteneinnahme mehr als 12 Stunden über den üblichen Zeitpunkt hinaus vergessen, ist der kontrazeptive Schutz möglicherweise vermindert. Die Filmtablette soll sofort eingenommen werden, selbst wenn dies die Einnahme von zwei Filmtabletten gleichzeitig bedeutet. Die weiteren Filmtabletten sind zur üblichen Zeit einzunehmen.

Abhängig vom Zyklustag, an welchem die Einnahme einer wirkstoffhaltigen Filmtablette vergessen wurde, müssen zusätzliche kontrazeptive Massnahmen (z.B. eine Barriere-Methode wie ein Präservativ) gemäss folgenden Prinzipien angewendet werden:

1. bis 17. Einnahmetag

Die vergessene Filmtablette soll sofort eingenommen werden – auch dann, wenn dadurch an einem Tag 2 Filmtabletten einzunehmen sind. Die weiteren Filmtabletten sollen wieder zur gewohnten Zeit eingenommen werden. Während der folgenden 9 Tage ist zusätzlich eine nicht-hormonale Methode der Kontrazeption anzuwenden.

18. bis 24. Einnahmetag

Es sollen keine weiteren Filmtabletten der angebrochenen Packung eingenommen, sondern gleich mit einer neuen Packung Qlaira gestartet werden. Die weiteren Filmtabletten sollen wieder zur gewohnten Zeit eingenommen werden. Während der nächsten 9 Tage ist zusätzlich eine nicht-hormonale Methode der Empfängnisverhütung anzuwenden.

25. bis 26. Einnahmetag

Die vergessene Filmtablette soll sofort eingenommen werden – auch dann, wenn dadurch an einem Tag 2 Filmtabletten einzunehmen sind. Die weiteren Filmtabletten sollen wieder zur gewohnten Zeit eingenommen werden. Es ist keine zusätzliche Empfängnisverhütung notwendig.

27. bis 28. Einnahmetag

Die vergessene weisse Filmtablette muss nicht mehr eingenommen werden, sondern kann verworfen werden.

Es ist keine zusätzliche Empfängnisverhütung notwendig.

An einem Tag dürfen nicht mehr als zwei Filmtabletten eingenommen werden.

Wurde der Beginn einer neuen Packung oder die Einnahme einer Filmtablette während der ersten 3–9 Tage der Packung vergessen, besteht die Möglichkeit einer Schwangerschaft, falls in den vergangenen 7 Tagen Geschlechtsverkehr stattgefunden hat.

Je mehr Filmtabletten (von jenen mit den zwei kombinierten aktiven Substanzen an den Tagen 3 bis 24) vergessen wurden und je näher diese der Phase mit den Placebo-Filmtabletten waren, desto höher ist das Risiko einer Schwangerschaft.

Wurde die Tabletteneinnahme vergessen und kam es anschliessend zu keiner Entzugsblutung am Ende der Packung/zu Beginn der neuen Packung, muss die Möglichkeit einer Schwangerschaft in Betracht gezogen werden.

Die Anwenderin soll darauf hingewiesen werden, dass für eine zuverlässige Kontrazeption die regelmässige tägliche Einnahme von Qlaira wichtig ist und dass beim Vergessen einer Filmtablette die Anweisungen in der Patienteninformation bezüglich Fortsetzung der Tabletteneinnahme und eventuell zusätzlich notwendiger Kontrazeptionsmassnahmen strikt befolgt werden müssen.

Zusammenfassung

  • Zur Notfallkontrazeption einsetzbar sind Levonorgestrel 1,5 mg, Ulipristalacetat 30 mg und eine Kupferspirale; am effektivsten ist die Kupferspirale.

  • Ulipristalacetat 30mg ist Levonorgestrel 1,5mg überlegen bei Anwenderinnen  mit einem BMI über 30 kg/m2 bzw. einem Körpergewicht über 75 kg, bei ungeschütztem Verkehr im fertilen Fenster (48 h vor der Ovulation) und, wenn der ungeschützte Verkehr mehr als 24 h zurückliegt.

  • Postovulatorisch ist – wenn die Frau periovulatorisch ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt hat – die Kupferspirale die einzige Form der Notfallkontrazeption.

  • Relevante Wechselwirkungen müssen bedacht werden. Dies gilt auch für die mögliche Wechselwirkung von Ulipristalacetat 30 mg mit hormonellen Kontrazeptiva.

  • Bei hormoneller Notfallkontrazeption ist nicht von einem erhöhtenThromboserisiko auszugehen.

  • Nach Notfallkontrazeption IMMER sicher AK bis zur nächsten Menstruation

Literatur

  1. Michael Ludwig , Notfallkontrazeption. Gynäkologe 2018 · 51:1047–1059
  2. Eva Franz, Brigitte Frey Tirri, Isabelle Arnet Neue Möglichkeit der hormonellen Notfallkontrazeption.Phamarmajournal. 2011
  3. Rezeptfreie Abgabe von oralen Notfallkontrazeptiva („Pille danach“ ) Leitlinie Deutschland ABDA. 2018
  4.  SGGG Expertenbriefe : Informationsblatt für Anwenderinnen kombinierter hormonaler Kontrazeptiva
  5. NICE Guidline : Contraception. 2016
  6. FSRH 2017. https://www.fsrh.org/standards-and-guidance/current-clinical- guidance/emergency-contraception/
  7. Sante Sexuelle.ch : https://www.sante-sexuelle.ch/beratungsstellen/beratungsthemen/verhutung/
  8. Züricher Handbuch Familienplanung Ausgabe 2017
  9. Positionspapier zur Notfallkontrazeption in der Schweiz, interdisziplinäre Expertengruppe für N otfallkontrazeption (IENK), Kommission der Schweizer . SGRM 2014

Autor: Angela Vidal
Autorisiert: Ivo Fähnle / Caroline Dhakal
Version: 04/2020