Endometriose - Vorgehen ausserhalb Endometriose-Sprechstunde

Inhaltsverzeichnis

Endometriose ist eine sehr häufige, chronische, hormonabhängige Erkrankung, welche mind. 10% der Frauen im reproduktionsfähigen Alter betrifft. Die Dunkelziffer liegt aber mit grösster Wahrscheinlichkeit um ein Vielfaches höher!

Die Chancen sind also gross, dass auch in der allgemeinen Sprechstunde im gynäkologischen Ambulatorium, bei so manch einer Patientin differenzialdiagnostisch eine Endometriose in Frage kommt.

Somit sind alle aufgefordert, auch wenn die Konsultation aus einem anderen Grund erfolgt, an die Endometriose zu denken.

Was kann man bereits in der allgemeinen Sprechstunde beachten:

  • Leitsymptom: Dysmenorrhoe, 1° oder 2°; Schmerzmittelbedarf
  • weitere typische damit assoziierte Probleme und Symptome
    • tiefe Dyspareunie
    • Dysurie, Hämaturie
    • Dyschezie, Hämatochezie
    • chronic pelvic pain
    • Infertilität
    • Vegetative Begleitsymptomatik
  • Zyklusanamnese (Dauer, Stärke)
  • Vorhergehende hormonelle Therapien erfragen; bestand eine Besserung der Beschwerden darunter? Wie war die Verträglichkeit der Hormone?
  • Allgemeine Stuhlanamnese, Obstipation/Konstipation, gesteigerte Stuhlfrequenz oder Diarrhoe während der Mens, Blähungen («Endobelly»)
  • Allgemeine Miktionsanamnese, OAB-Beschwerden, Frequenz gesteigert während der Mens? Blasenentleerungsstörung
  • Schwangerschaften/Geburten? TTC (time to conception)?
  • Besteht Kinderwunsch? (Kinderwunschaspekt in der Therapieplanung sehr wichtig)
  • Familienplanung abgeschlossen?
  • Vorhergehende Operationen? Endometriose-Diagnose ev. schon gestellt; wenn vorhergehende Endometriose-Operationen: Bitte Unterlagen organisieren!
  • Bei der Spekulumeinstellung auf Endometrioseherde im Bereich der Vaginalwände oder Portio achten (va hintere Fornix)
  • Bimanuelle Palpation: Uterus retro? Uterus mittig mobil oder auf eine Seite verschoben mit Immobilität auf der Seite? Raumforderung palpabel, Septum recto-vaginale frei? Schmerzen auslösbar, die mit bspw. Dyspareunie korrelieren?
  • TVUS: Uterus retro? Zeichen einer Adenomyosis (ungleiche Dicke von Hinter- u. Vorderwand, inhomogene Bereiche, Lakunen, hyperechogene Spots, inhomogene Perfusion, Endo-Myometrane Junktionszone, Question-mark Sign, Rain in the Forrest Phänomen)? Uterus auf eine Seite verschoben? Ev. Septum recto-vaginale mitbeurteilen. Douglas frei? Harnblasenwand, Hinweis auf RF? Ovarien: Endometriome?, ev. AFC je nach Fragestellung Kinderwunsch, Mobilität des Situs beurteilen.
  • TAUS: Nierensonographie! Bei Vd.a. Endometriose bitte IMMER den Nierenschall machen
  • bei Hämaturie: Urinstatus und Sediment (andere DD in Betracht ziehen) https://obgyn.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/uog.15955

In Rücksprache mit jemandem vom Endometriose-Team kann bei

  • Hämaturie (falls andere Ursache ausgeschlossen wurden) eine Zystoskopie (im urogynäkologischen Ambulatorium)
  • Hämatochezie (zum Ausschluss eines Tumors) eine Koloskopie/Rektoskopie

angemeldet werden.

Bitte nicht einfach ein CT oder MRT ohne Rücksprache anmelden. Dies ist praktisch nie nötig!

In aller Regel ist die langfristige Therapie der Wahl (ausser die Patientin hat aktuell Kinderwunsch):

Die endokrine Therapie mit einem Gestagen-mono-Präparat

 

Nach einem aufklärenden Gespräch (Wirkungsweise, Nebenwirkungen) und falls von der Patientin gewünscht, kann bereits mit der medikamentösen Therapie begonnen werden:

  • Visanne® (Zugelassen zur Therapie der Endometriose, von KK übernommen)

oder

  • Anderes Gestagen-mono-Präparat (bezüglich Auswahl ggf Rücksprache mit dem Endometriose-Team)

Ev. Vorstellung der Patientin am Gyn-Board (NEU Dienstag, 17.00 Uhr)

Zuweisung in die Endometriosesprechstunde, falls Patientin weitere Abklärungen und Beratung diesbezüglich wünscht.

=> Wenn eine hormonelle Therapie begonnen wurde, dann soll die Patientin        einen Termin nach ca. 4 Monaten in der Endometriosesprechstunde                bekommen, um den Therapieerfolg zu evaluieren, bzw. Bilanz zu ziehen

Anhand der Untersuchungs- und Ultraschallbefunde kann die Endometriose klassifiziert werden (dies kann bereits in der regulären Sprechstunde versucht werden, ist aber kein Muss).

 

1. #Enzian

Beschreibt Art der Läsionen (peritoneal, ovariell oder tiefinfiltrierend), Lokalisation und Grösse der Herde, das Vorkommen an selteneren, u. a. extragenitalen Lokalisationen, Adenomyose und die sekundären Adhäsionen. Diese Klassifizierung dient als Werkzeug zur ganzheitlichen, verständlichen und reproduzierbaren Kartierung der Endometriose (Anwendung nach Sonografie, MRT oder operativer Diagnostik)

Keckstein J, Saridogan E, et al.: The #Enzian classification: A comprehensive non-invasive and surgical description system for endometriosis. Acta Obstet Gyne - col Scand. 2021;100(7):1165-1175

2. Endometriosis Fertility Index (EFI)

Die Dokumentation des intraoperativen Befundes im Sinne des EFI hat prognostischen Wert bei Frauen mit Infertilität.

Der EFI basiert auf folgenden 3 Punkten:

    1. postoperativer Befund (Intaktheit/Funktion der Tuben/Ovarien als Punktwert von 0-4)
    2. Anamnestische Faktoren
    3. rASRM-Score (Klassifikation der Endometriose (researchgate.net))

Je nach errechnetem EFI-Score, kann anhand der Normkurve die geschätzte Schwangerschaftswahrscheinlichkeit abgelesen werden. Nützlich für das Planen des weiteren Vorgehens bei Endometriosepatientinnen mit Kinderwunsch.

von: Engel, Jörg & Berkes, Eniko & Tinneberg, Prof. (2015). Klassifikation der Endometriose. Der Gynäkologe. 48. 10.1007/s00129-014-3423-z.

  • Zondervan K, Becker C, et al.: Endometriosis. N Engl J Med. 2020;382(13):1244- 1256. doi:10.1056/NEJMra1810764
  • Saunders PTK, Horne AW.: Endometriosis: Etiology, pathobiology, and therapeutic prospects. Cell. 2021;184(11):2807-2824. doi: 10.1016/j.cell.2021.04.041
  • Diagnostik-und-Klassifikation-bei-Endometriose-und-Dysmenorrhoe.pdf (rosenfluh.ch)
  • Hudelist G, Oberwinkler KH.: Combination of transvaginal sonography and clinical examination for preoperative diagnosis of pelvic endometriosis. Hum Reprod. 2009;24(5):1018-1024. doi:10.1093/humrep/dep013
  • Guerriero S, Condous G, et al.: Systematic approach to sonographic evaluation of the pelvis in women with suspected endometriosis, including terms, definitions and measurements: a consensus opinion from the International Deep Endometriosis Analysis (IDEA) group. Ultrasound Obstet Gynecol. 2016;48(3):318-332. doi:10.1002/uog.15955
  • Becker CM, Bokor A, et al.: ESHRE guideline: endometriosis. Hum Reprod Open. 2022;2022(2). doi:10.1093/hropen/hoac009
  • Keckstein J, Saridogan E, et al.: The #Enzian classification: A comprehensive non-invasive and surgical description system for endometriosis. Acta Obstet Gynecol Scand. 2021;100(7):1165-1175
  • von: Engel, Jörg & Berkes, Eniko & Tinneberg, Prof. (2015). Klassifikation der Endometriose. Der Gynäkologe. 48. 10.1007/s00129-014-3423-z.

Autor: S. Verta
Autorisiert: S. Verta
Version: 03/2023
Gültig bis:31.12.2023