Dysplasie

Inhaltsverzeichnis

Mit Verbesserung der Intimhygiene und seit Einführung der Früherkennungsuntersuchungen (Zytologie-Screening (PAP) seit den 70er-Jahren) ist die Inzidenz des Zervixkarzinoms in der industrialisierten Welt deutlich zurückgegangen. Die Einführung der HPV-Impfung (2006) lässt einen weiteren Rückgang in den nächsten Jahren erwarten.

Pro Jahr erkranken aktuell etwa 250 Frauen in der Schweiz an einem Zervixkarzinom, das entspricht einer Inzidenz von 4.0/100000 mit einer Mortalität von 1.6/100000. In den Entwicklungsländern hingegen, ohne Möglichkeit einer entsprechenden Vorsorgeuntersuchung, ist das Zervixkarzinom die häufigste, genitale Krebserkrankung der jungen Frau mit deutlich höheren Inzidenzen, als Beispiel Malawi mit einer Inzidenz von 75.9/100000 pro Jahr.

Treten Auffälligkeiten im Rahmen der zytologischen Vorsorgeuntersuchung der Portio auf, sind eine Vorstellung in der Dysplasie-Sprechstunde mit Differentialkolposkopie und ggf. eine weiterführende Abklärung und/oder Einleitung einer entsprechenden Therapie indiziert

Die aktuellen Empfehlungen zum Zytologie-Screening sind auch unter der Rubrik „Jahreskontrolle NEU“ hinterlegt.

Die aktuellen Empfehlungen zur HPV-Impfung finden sich im Expertenbrief 74 «HPV-Impfung» und sind zudem unter der Rubrik «Jahreskontrolle» hinterlegt.

74_HPVImpfung_23.09.2021.pdf (sggg.ch)

Sonderfall: Postkonisationsprophylaxe

Nach einer Konisation besteht ein erhöhtes Risiko einer Reinfektion. Im Einzelfall kann daher der Versuch einer sogenannten Postkonisationsprophylaxe zur Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien erfolgen, trotz positivem Nachweis von High-risk HPV.

Eine Kostengutsprache sollte vorab bei der Krankenkasse gestellt werden.

In der Schweiz erfolgt die zytologische Klassifizierung nach der Bethesda-Nomenklatur (2001).

Da einige Labore sowie niedergelassene Frauenärztinnen und Frauenärzte weiterhin mit der zytologischen Nomenklatur München III arbeiten und diese vielfach in Publikationen verwendet wird, sind in der folgenden Abbildung beide Klassifizierungen gegenüber gestellt.

Quelle: www.ag-cpc.de

Die histologische Klassifizierung der pathologischen Befunde erfolgt nach der WHO-Klassifikation von 2014. Weiterhin wird die WHO-Klassifikation von 2003 im praktischen Alltag häufig verwendet und ist durchaus Grundlage von Therapieentscheidungen, daher ist diese im Folgenden ebenfalls aufgeführt.

HPV-Infektionen können persistieren und zu präkanzerogenen Vorstufen (CIN) führen, die sich über einen Zeitraum von 5-10 Jahren bis hin zu einem invasiven Zervixkarzinom entwickeln können. In etwa 80% heilt eine HPV-Infektion jedoch spontan aus, das onkogene Potential ist vom Virustyp abhängig (HPV 16 > HPV 31 und 35). Die Regressionsneigung nimmt mit zunehmender Dysplasiestufe ab.

Quelle: Ghisu G.-P., Fink D., gynäkolog Praxis (2016) 41;187-199

Der Algorithmus zum Expertenbrief Nr. 50 der SGGG bietet eine schematische Handlungsanweisung je nach zytologischem Befund.

Algorithmen zum Expertenbrief Nr 50

Komplexere Befundkonstellationen müssen mit dem/der jeweiligen OA/OÄ und/oder LA/LÄ besprochen werden.

Die Grundlage der kolposkopischen Befunddokumentation stellt die internationale Kolposkopie-Nomenklatur nach Rio 2011 dar. Alle Kolposkopien sollen entsprechend der Nomenklatur dokumentiert werden. Zudem sollte nach Möglichkeit eine Bilddokumentation erfolgen.

Die Nomenklatur ist auch unter der Rubrik "Kolposkopie-Nomenklatur" hinterlegt.

Quelle: Girardi F, Frauenarzt 2012;53:106

Im Rahmen der ersten Schwangerschaftsuntersuchung sollte immer ein zytologischer Abstrich erfolgen. Eine höhergradige Dysplasie besitzt nur eine geringe Wahrscheinlichkeit( 0,4%), sich im überschaubaren Zeitraum der Schwangerschaft in ein invasives Karzinom weiterzuentwickeln. Das Ziel der Kolposkopie und Biopsie in der Schwangerschaft ist daher in erster Linie der Ausschluss eines invasiven Karzinoms.

  • Schwangere Frauen mit auffälligem Abstrich sollten immer in der Dysplasie-Sprechstunde gesehen werden.
  • Spekulumeinstellung ist möglicherweise erschwert (prolabierende Vaginalwände, breites Spekulum, ggf. plus Kondom).
  • Biopsie möglichst zwischen 12. und 16. SSW, ECC immer kontraindiziert (selten TZ 3, ggf. etwas stärkere Blutung nach Biopsie aufgrund Hypertrophie und verstärkter Durchblutung mit prominenter Gefässzeichung als physiologische Veränderung in der Schwangerschaft).
  • Vaginaler Entbindungsmodus problemlos möglich.
  • Verlaufskontrolle mit Kolposkopie und Zytologie etwa alle 8-12 Wochen/1x pro Trimenon.
  • Kolposkopie und Biopsie 6-8 Wochen postpartum, ggf. dann Konisation (Spontanremissionsrate peripartal ist auch bei höhergradigen Dysplasien etwas höher als ausserhalb der Schwangerschaft).

Bei Abklärung einer zervikalen Dysplasie sollte die Vagina immer mitbeurteilt werden.

Spezielle Indikationen zur Kolposkopie der Vagina (nach Lellé/Küppers, Kolposkopie in der Praxis, 2014):

  • Makroskopisch auffälliger Befund der Vagina
  • Auffälliger, zytologischer Abstrich bei unauffälliger Kolposkopie der Zervix
  • Auffälliger, zytologischer Abstrich nach Behandlung einer CIN bei unauffälliger Kolposkopie der Zervix
  • Auffälliger, zytologischer Abstrich nach Hysterektomie bei CIN/Carcinom (etwa 55% der VAIN)
  • Auffälliger, zytologischer Abstrich oder CIN bei immunsupprimierten Patientinnen zum Ausschluss eines multifokalen Befundes

Die Kolposkopie der Vagina ist wichtig zur Diagnose der VAIN (vaginale, intraepitheliale Neoplasie I-III (leicht – mässig – schwer), HPV-assoziiert), welche in Analogie zur CIN als Vorstufe eines Vaginalkarzinoms angesehen wird.

  • Insgesamt sehr selten (Vorgeschichte, Status nach HE wegen CIN/Ca, Immunsuppression?).
  • Häufig im oberen Drittel der Vagina lokalisiert.
  • Häufig nur durch Schillersche Jodprobe zu identifizieren: diskretes, jodnegatives Gewebeareal.
  • Häufig multizentrisch/multifokal, manchmal leicht erhaben mit unregelmässiger Oberfläche.
  • Erythematöse Veränderungen, Ulzerationen sind möglich, immer Biopsie zum Ausschluss Invasivität.
  • Andere mögliche Befunde:

Condyloma accuminata (siehe gesonderter Eintrag), Adenome, vaginale Metastasen.

Die Vulvoskopie ist bei allen suspekten und/oder persistierenden Veränderungen der Vulva und vulvären Dermatosen (z.B. Lichen sclerosus) zum Ausschluss einer Präneoplasie oder Neoplasie indiziert, grosszügige histologische Abklärung mittels Stanzbiopsie.

Die aktuellen Empfehlungen sind unter der Rubrik „Vulvasprechstunde – Vulväre intraepitheliale Neoplasie – VIN“ hinterlegt.

  • Expertenbrief Nr. 74. HPV Impfung. 23.09.2021.
  • S3-Leitlinie zur Prävention des Zervixkarzinoms – AWMF 015/027OL März 2020.
  • Die aktuellen Empfehlungen der AG-CPC zur Kolposkopie 2015 – W. Kühn/F. Gieseking.
  • Expertenbrief Nr. 50. Empfehlungen für die Gebärmutterhalskrebsvorsorge. 01.03.2018.
  • Ghisu, Fink. Verlauf der HPV-Infektion und Einteilung kolposkopischer Befunde. Gynäkolog Praxis 2016 41:187-199.
  • Kang et al. Is vaccination with quadrivalent HPV vaccine after loop electrosurgical excision procedure effective in preventing recurrence in patients with high-grade cervical intraepithelial neoplasia (CIN 2-3)? Gynecol Oncol 2013 130(2): 264-8.
  • Lellé/Küppers, Kolposkopie in der Praxis, 2014
  • Pieralli et al. Indication of prophylactic vaccines as a tool for secondary prevention in HPV‑linked disease. Arch Gynecol Obstet 2018 Dec, 298(6):1205-1210.
  • Rome et al. Management of vaginal intraepithelial neoplasia. A series of 132 cases with long-term follow-up. Int J Gynecol Cancer 2000 10(5):382-90.
  • Serati et al. Natural history of cervical intraepithelial neoplasia during pregnancy. Acta Obstet Gynecol Scand 2008 87(2): 1296-1300.
  • Yost et al. Postpartum regression rates of antepartum cervical intraepithelial neoplasia II and III lesions. Obstet Gynecol 1999 93(3): 359-62.

Autor: J.Goldstein
Autorisiert: Ch. Brambs
Version: 01.04.2023
Gültig bis: 01.04.204