Tokolyse

10.01.23 - off-label Nifedipintokolyse: Überwachung und unterschiedlicher Einsatz von schnell- und langwirksamen Präparaten.

Inhaltsverzeichnis

1. Allgemeines

1.1 Tokolytika

Es gibt gemäss Evidenz-Lage kein Tokolytikum der ersten Wahl. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Auswahl einer Tokolyse: Steuerbarkeit, Wirkungsmechanismus, zu erwartenden Nebenwirkungen, Erfahrung des Anwenders, Gesamtkontext der Situation, Preis des Produktes, Art der Verabreichung und andere.

In der NFKL Luzern werden die unten aufgeführten Tokolytika wie folgt verwendet:

Tokolytikum

Anwendung

Nifedipin

(Nifedipin Spirig HC®

40 CR)

 

 

 

Nifedipin 10 mg

(Nifedipin-AL® Weichkapseln) 10 mg

  • Tokolytikum der 1. Wahl für die Dauertokolyse
  • Nicht bei kardialer Vorerkrankung
  • maximal 120 mg / d (Grapefruitsaft erhöht die Bioverfügbarkeit)
  • zusätzlich ist noch 3 x 10 mg Nifedipin ratiopharm Kps. ® als Akuttokolyse möglich

 

 

  • Aufsättigung vor Dauertokolyse (loading dose)
  • und Akuttokolyse

 

Hexoprenalin

(Gynipral®)

  • Tokolytikum der 1. Wahl bei unmittelbar drohender Frühgeburt
  • Nicht bei Gemini, insulinpflichtigem Diabetes, kardialer Vorerkrankung, Präeklampsie

Atosiban

(Atosiban Klasa®)

  • Tokolytikum der 1. Wahl bei Gemini, insulinpflichtigem Diabetes, kardialer Vorerkrankung, Präeklampsie
  • Tokolytikum der 2. Wahl
  • Als Zusatz zu Hexprenalin für ein Doppeltokolyse in speziellen Situationen (z.B. unmittelbar drohende Frühgeburt). Individualentscheid in Rücksprach mit OA, schlechte Datenlage
  • Tokolytikum der 1. Wahl bei Kontraindikationen für Nifedipin oder Hexoprenalin (insbesondere kardiale Probleme)

Bryophyllum 50% Kautabletten von Weleda

  • Subjektiv störende, nicht portio-wirksame Kontraktionen
  • Als Zusatz zu einer bestehenden Tokolyse bei subjektiv störenden, nicht objektivierbaren Kontraktionen oder ansonsten ausgeschöpfter Tokolyse-Therapie-Optionen

1.2 Bestehende Tokolyse

Bei Zuverlegung einer Patientin von Extern mit bestehender Tokolyse wird die Tokolyse bei guter Wirksamkeit nicht primär gewechselt. Ausnahme ist die Umstellung von Gynipral®-Dauertokolyse auf Gynipral®-Bolustokolyse, Beginn in der Regel mit Stufe 4/3 unabhängig von der Dosierung der Dauertokolyse.

1.3 Allgemeine Indikationen für Tokolyse

  • 24+0 SSW bis 33+6 SSW (22+0 bis 23+6 SSW im Einzelfall Tokolyse diskutieren gemäss Absprache mit Hintergrund)
  • Vorzeitige portiowirksame Kontraktionen (= Spontane vorzeitige Wehentätigkeit, CTG: > 4 uterine Kontraktionen in 20 min oder 6 in 60 min) und einer der folgenden Punkte:
    • Verkürzung der funktionellen Zervixlänge auf ≤ 25mm oder im Verlauf von ca. 2 Stunden Verkürzung der Zervix um mehr als 5mm (transvaginale Messung)
    • MM-Eröffnung >2cm und <5cm
  • Vorzeitiger Blasensprung bis 33+6 SSW (in der Regel für 48 Stunden / Dauer der Lungenreifungsinduktion, siehe Weisung "Frühgeburtsbestrebungen")
  • Symptomatische Plazenta praevia / tiefer Plazentasitz mit vaginaler Blutung
  • Perioperativ
    • Gynipral® bei äusserer Wendung
    • Indometacin bei Cerclage / Muttermundsverschluss
    • Indometacin oder Gynipral® bei operativen Eingriffe (z.B. Appendektomie, Knochenfraktur). Gynipral®: Beginn kurz präoperativ, Stoppen bei fehlenden Kontraktionen spätestens 24h postoperativ. Indocid®: Gut als prophylaktische Tokolyse bei erhaltener Zervix und fehlenden Kontraktionen, Beginn am morgen des OP-Tages, 2 x 75 mg für max. 48 h

1.4 Allgemeine Kontraindikationen für Tokolyse

Maternal:

  • Sepsis
  • Schwere Präeklampsie
  • Hämodynamische Instabilität
  • Lungenödem

Fetal:

  • Pathologisches CTG, ausser zur kurzfristigen Überbrückung zwischen Sektioindikationsstellung und Lagerung / Schnitt im OP
  • Vorzeitige Placentalösung (relative KI)
  • Chorioamnionitis
  • Intrauteriner Fruchttod oder mit dem Überleben nicht vereinbare Fehlbildungen

1.5 Notwendige Untersuchungen vor Beginn einer Tokolyse

  • EKG: insbesondere Frage nach Präexzitation / WPW für den Fall dass im Verlauf Hexoprenalin zum Einsatz kommt. Auch bei Anwendung von Nifedipin sollte bei Unklarheiten bezüglich EKG ggf. Rücksprache mit den Kollegen der Kardiologie genommen werden.
  • Labor: Infektlabor bei PPROM oder Fruchtblasenprolaps, zusätzlich Kalium bei Gynipral®- oder Adalat®-Tokolyse (Link)
  • Blutdruckmessung, Puls: insbesondere vor Anwendung von Nifedipin (siehe dort).

2. Beschreibung

2.1 Nifedipin (Off-Label-Use)

Die Anwendung von Nifedipin zur Tokolyse entspricht einem Off-Label-Use, die Patientin muss vorgängig darüber aufgeklärt, die Aufklärung dokumentiert werden. Die Präparate können aufgrund der Pharmakokinetik nicht (ohne weiteres) untereinander ausgetauscht werden. 

2.1.1 Zusätzliche Kontraindikationen für Nifedipin

  • Kardiale Vorerkrankung
  • Arterielle Hypotonie 
  • Gleichzeitige Betamimetika-Gabe (Ausnahme: überlappend bei Wechsel)
  • Migräne (relative Kontraindikation)
  • Nifedipin zur Tokolyse oder Blutdrucksenkung kann gleichzeitig mit Magnesium i.v. gegeben werden.
  • Wirkverstärkung und Erhöhung der Plasmakonzentration: Vorsicht ist zusätzlich geboten bei gleichzeitiger Einnahme von Makrolidantibiotika, Cimetidin, Protease-Inhibitoren, Valproinsäure, u.a.
  • Bei Diabetes kann Nifedipin selten zu Hyperglykämie führen. 

2.1.2 Durchführung der Tokolyse mit Nifedipin / Adalat®

Die Untersuchungen vor Beginn einer Tokolyse müssen durchgeführt werden. Insbesondere ist eine BD-Messung durchzuführen. Bei BD systolisch < 90mmHg Information Dienstarzt und keine Nifedipin-Gabe. 

Bei Beginn einer Tokolyse mit Nifedipin muss zuerst immer mit einer Aufsättigung gestartet werden, bevor die Erhaltungsdosis verabreicht wird

1) Aufsättigung

  • Nifedipin-AL® (Weichkapseln 10 mg) 4 x alle 15min. Nifedipin-AL® (Weichkapseln 10 mg) sind schnell wirksam: Wirkbeginn in 20 Min., Wirkmaximum nach 30-85 Minuten.
  • Dafalgan 1g Tbl p.o. (Kopfschmerz-Prophylaxe) anbieten
  • Nach weiteren 15min Beginn Erhaltungsdosis mit Nifedipin Spirig HC® 40 CR

2) Erhaltungsdosis

  • Nifedipin Spirig HC® CR Matrixtbl. 40 mg ist ein langwirksames Präparat: Wirkmaximum nach 7,4 Stunden
  • Initial 40 - 0 - 0 mg, Dosissteigerung 40 - 0 - 40 mg, Weitere Dosissteigerung 40 - 40 - 40 mg (max. 120 mg / d)
  • Hier gibt es noch eine Reserve von 30 mg für die Akuttokolyse. Diese kann wie auch die Aufsättungstokolyse mit Nifedipin AL Weichkapseln® bis zu 3 x 10 mg durchgeführt werden.

2.1.3 Spezielle Überwachung bei schnell wirksamen Präparaten 

  • Vor der ersten Nifedipin-Gabe BD systolisch > 90mmHg.
  • Während der Aufsättigung: BD-Messung vor Gabe jeder weiteren Tablette.
  • Danach in den ersten 2 Stunden: BD-Messung mit einem Intervall von 30 Minuten.
  • Falls BD systolisch < 90 mmHg: CTG-Überwachung ab 23+5 SSW, Information Dienstarzt und (vorerst) keine weitere Nifedipin-/Adalat-Gabe.

2.1.4 Unerwünschte Wirkungen

  • Tachykardie, Herzklopfen
  • Kopfschmerzen: typische unerwünschte Wirkung zu Therapiebeginn. In der Regel ist eine symptomatische Gabe von Paracetamol erfolgreich, die Kopfschmerzen verschwinden in den meisten Fällen innerhalb von 1-2 Tagen.
  • Hypotonie: der blutdrucksenkene Effekt von Nifedipin ist bei Frauen mit normalem Blutdruck wenig ausgeprägt.
  • Hautausschlag, Flushes
  • Selten Übelkeit und Erbrechen
  • Im Falle von Beinkrämpfe soll ein Calciumpräparat 2g/d verschrieben werden.

2.1.5 Vorgehen bei Wehentätigkeit unter Adalat-Tokolyse

Akuttokolyse: Gabe von Nifedipin 10 mg p.o., max. ½-stündlich, 3 mal. Falls keine Wirkung oder sofern die Nebenwirkungen von Adalat® einen Wechsel aufdrängen: Umstellen auf Gynipral® oder Atosiban Klasa®.

2.1.6 Vorgehen bei Umstellung einer i.v.-Tokolyse auf Nifedipin p.o.

Beim Sistieren der i.v.-Tokolyse muss immer eine Aufsättigung mit Nifedipin AL® erfolgen, anschliessend erfolgt die Gabe von Nifedipin Spirig HC® CR 40 - 0 - 40. 

2.2 Atosiban (Atosiban Klasa®)

2.2.1 Durchführung der Tokolyse mit Atosiban Klasa®

  1. Initialer Bolus: 6.75 mg (0.9 ml i.v. als Bolus) über 2 min (Cave: Übelkeit, Erbrechen)
  2. Hochdosierte Sättigungsinfusion (18 mg/h = 24ml/h = 300 ug/min) über 3h
  3. Reduzierte Erhaltungsdosis (6mg/h = 8ml/h = 100 ug/min) über max. 45h
  • Sättigungsinfusion und Erhaltungsdosis werden aus 2 Stechampullen Konzentrat (je 5ml enthalten 37,5mg in 90 ml NaCl) hergestellt
  • Dauer der Behandlung maximal 48 Stunden, bei einer Gesamtdosis von 330mg
  • Unmittelbar nach Abschluss einer Behandlung nach 48h, kann ein kompletter erneuter Zyklus angeschlossen werden, ist aber off-label use.

2.2.2 Unerwünschte Wirkungen

  • sind unter Atosiban insgesamt selten und nur selten gravierend
  • Häufigste Nebenwirkungen sind (in >10%) Übelkeit oder (in 1-10%) Kopfschmerzen, Schwindel, Hitzewallungen, Erbrechen, Hypotonie. Tachykardie, lokale Reaktionen an den Injektionsstelle
  • Gelegentlich (0.1-1%): Fieber, Schlaflosigkeit, Juckreiz, Hautausschlag
  • Selten (< 0.1%): Allergie

2.3.1 Zusätzliche Indikationen für Bolustokolyse

  • Versagen einer Erstlinien-Therapie mit Adalat oder Atosiban
  • Notwendigkeit einer Tokolyse mit möglichst kurzer Latenz (unmittelbar drohende Frühgeburt)
  • Perioperativ: Vorteil der Gynipral®-Tokolyse ist der rasche Wirkungsbeginn und die kurze Halbwertszeit

2.3.2 Zusätzliche Kontraindikationen für Bolustokolyse

  • Herzerkrankungen: Myokarditis, Mitralvitien und idiopathische hypertrophe subvalvuläre Aortenstenose, sonstiger schwerer Herzfehler
  • Herzrhythmusstörungen, insbesondere tachykarde Arrhythmien
  • Präexzitationssyndrome, Re-Entry-Tachykardien (z.B. Wolff-Parkinson-White-Syndrom): Vorzeitige Erregung der Herzkammer über eine antegradleitende, angeborene Bahn, die parallel zum AV-Knoten liegt. Über diese Bahn können Herzrhythmusstörungen hervorgerufen werden. Anamnestisch sind rascher Beginn, regelmässige Tachykardie, abruptes Ende eruierbar. Synkopen treten in der Regel nicht auf. Das EKG zeigt oft das typische Zeichen der Delta-Welle, welche auch im symptomfreien, normofrequenten Intervall nachweisbar ist. Beim WPW-Syndrom ist zudem eine abnorm kurze PQ-Zeit (<0.12 s) charakteristisch.

Delta-Welle bei Präexzitationssyndrom 
(aus www.amboss.com)

 

  • ischämischen Herzerkrankung oder relevante Risikofaktoren für eine ischämische Herzerkrankung

 

2.3.3 Durchführung der Bolustokolyse mit Gynipral (Hexoprenalin)

Vor Beginn einer Gabe von Hexoprenalin muss unbedingt ein EKG durchgeführt werden (siehe Kontraindikationen)!

Zubereitung der Infusionslösung:

4 Amp. Gynipral® à 5 ml (=20ml) in 30 ml NaCl 0,9% in Perfusor-Spritze 50ml

1 Amp. à 5 ml enthält 25 µg Gynipral®

Dies ergibt 50ml mit 2µg Gynipral / ml.

  • Um einem Verstopfen des venösen Zugangs vorzubeugen, läuft parallel über Infusomat ein Beilauf mit 250 ml 0.9% NaCl langsam zum Offenhalten mit 10 ml pro Stunde.
  • Dieser wird über einen Dreiwegehahn an einer kurzen Verlängerung zum Venflon angeschlossen.
  • An die Leitung zum Beilauf muss direkt beim Dreiwegehahn ein Rückschlagventil angeschraubt werden!

2.3.4 Lungenreifungsinduktion unter Tokolyse mit Hexoprenalin

Bei gleichzeitiger Gabe von Hexoprenalin und Lungenreifeinduktion (LRI) mit Celestone® kann es in seltenen Fällen zu einem Lungenödem kommen. Während der Dauer der LRI für 48 Stunden wird daher eine Bilanzierung 12-stündlich durchgeführt und 24 Stunden nach LRI gestoppt.

2.3.5 Bolustokolyse-Stufen

Beginn in der Regel mit Bolusstufe 4, Intervall 3 Minuten (4/3). Bei ungenügender Wirksamkeit zuerst Steigerung der Bolusstufe bis 7, danach zusätzlich Verkürzung des Intervalls von 3 auf 2 Minuten. Bei nachlassender Wehentätigkeit zuerst das Zeitintervall verlängern, danach die Bolusstufe reduzieren.

Beginn

4/3

 

Steigerung

4/3

5/3

6/3

7/3

7/2

 

Reduktion

7/2

7/3

6/3

5/3

4/3

(4/6)

(4/12)

2.4 Bryophyllum pinnatum (Weleda Bryophyllum Kautabletten 50%)

2.4.1 Einleitung

Es muss beachtet werden, dass die Bryophyllum Kautabletten 50% nicht mit homöopathischen Darreichungsformen verwechselt werden! Die Kautabletten enthalten mit 50% einen hohen Anteil an Pflanzenextrakt! Auf dem Rezept muss das Produkt korrekt verordnet werden!

2.4.2 Indikation

  • Nicht portiowirksame Kontraktionen / subjektiv störende Kontraktionen
  • Therapie ohne andere Tokolyse
  • Additiv zu bestehender Tokolyse bei subjektiv störender Kontraktionen ohne Portiowirksamkeit

2.4.3 Dosierung

  • Beginn (Aufsättigung): 4 x alle 15min 1 Tbl
  • 3-4x täglich 1-2 Tbl, Dosierung kann verdoppelt werden, vorübergehend bis 1 Tbl stündlich möglich (einige Stunden).

3. Anhang

3.1 Allgemeines

Das Ziel der Tokolyse ist daher idealerweise das Erreichen von 34+0 SSW, im Minimum jedoch die Verlängerung der Schwangerschaft um 48 Stunden. Dieser Zeitraum wird in der Regel genutzt um die Schwangere in ein Perinatalzentrum zu verlegen und eine Lungenreifungsinduktion durchzuführen. Für die Verlängerung einer Schwangerschaft um 1-7 Tage gibt es eine gute Evidenzlage. Für eine längerdauernde Tokolyse fehlt eine gute Evidenzgrundlage, dennoch gibt es Daten, die dafür sprechen, dass eine längerdauernde Tokolyse möglich und auch sinnvoll ist (Hösli 2013). Insbesondere gibt es gute Daten, die zeigen, dass das neonatale Outcome bezüglich Mortalität und Morbidität mit jedem Tag der Schwangerschaftsverlängerung besser wird.

Es muss beachtet werden, dass die Datenlage zur Tokolyse schwierig und insbesondere sehr widersprüchlich ist. Als Beispiel sei angeführt, dass gemäss Cochrane-Review (Han 2013) Magnesium keinen tokolytischen Effekt hat, gemäss einer Multizenter-Studie mit 192 Patientinnen ist Magnesium und Nifedipin als initiale Tokolyse vergleichbar und Atosiban überlegen ist (Lyell D 2007), weitere Arbeiten zeigen eine Äquivalenz von Nifedipin und Atosiban (z.B. Lyndrup 2007). Zahlreiche weitere Studien zeigten weitere Ergebnisse, welche nicht untereinander kongruent sind.

3.2 Nifedipin

Im Vergleich zu Betamimetika bringt Nifedipin ein verbessertes neonatales Outcome (ANS, NEC, ZNS-Blutungen, Hyperbilirubinämie) für eine Tokolysedauer bis 7 Tage und für ein Gestationsalter bis 34 SSW. Zudem bestehen unter Nifedipin weniger maternale Nebenwirkungen (King JF 2011). Andererseits hat eine Multizenter-Studie aus den Niederlanden für eine Nifedipin-Erhaltungstokolyse keinen klaren Benefit gezeigt (Roos 2013). Als weitere Vorteile bestehen die Gabe per os, welche grundsätzlich ein ambulantes Management ermöglicht, der günstige Preis und gute Verträglichkeit. Über off-label use muss aufgeklärt werden.

3.3 Bolustokolyse

Zur Tokolyse werden Betamimetika in der Regel als zweite Wahl verwendet, dies unter anderem wegen der unerwünschten Wirkungen. In der Schweiz steht Hexoprenalin (Gynipral®) zur Verfügung, welches meistens als Dauer-Infusion zur Tokolyse angewendet wird.

Die orale Gabe von Gynipral ist mind. als Erhaltungstherapie erwiesenermassen nicht wirksam (Dodd 2012). Allerdings konnte gezeigt werden, dass die intravenöse Gabe von Betamimetika wirksam ist für eine Verzögerung der Geburt um 48 Stunden (Anotayanonth S 2010), allerdings konnte kein Effekt mehr nach 7 Tagen gezeigt werden. Der Wirkungsverlust wird durch den negativen Effekt der kontinuierlichen Betamimetika-Gabe auf das zyklische AMP (Berg G 1982) und auf die Beta-Rezeptoren-Dichte erklärt (Berg G 1985).

Die intravenöse Gabe von Betamimetika führt zu wesentlichen unerwünschten Wirkungen, die wichtigsten sind Palpitationen, Tremor, Übelkeit, Kopfschmerzen und Thoraxschmerzen. Als schwere Nebenwirkungen können Herzrhythmusstörungen und Lungenödem auftreten (Gyetvai K 1999), zudem besteht ein diabetogener Effekt (Fisher JE 1997).

Um die Toleranzentwicklung mit konsekutivem Wirkungsverlust sowie die Nebenwirkungen zu reduzieren musste gemäss Ansatz von Spätling die Betamimetika-Dosis reduziert werden (Spätling 1989). Dies erreichte er durch Einführung der pulsatilen Gabe in Form der sog. Bolustokolyse. Dabei werden zu Beginn alle 3 Minuten ein Bolus von einigen ug Wirkstoff mit Hilfe einer Spritzenpumpe abgegeben. Es konnte gezeigt werden, dass die objektiven und subjektiven Nebenwirkungen unter Bolustokolyse gegenüber kontinuierlicher Gabe eines Betamimetikums reduziert waren (Herzog 1995, Herzog 1999). Somit ist die Bolustokolyse die Möglichkeit, Betamimetika für mehr als 48-72 Stunden anzuwenden, was als Dauerinfusion gemäss FDA seit 2011 kontraindiziert ist (siehe auch Abschnitt Gynipral®-Dauertokolyse, www.fda.gov).

3.4 Bryophyllum

Die Forschungsgruppe um Ursula von Mandach (USZ) beschäftigt sich seit Jahren mit der Wirkung des Extraktes der Pflanze Bryophyllum pinnatum, welche unter anderem auch zur Tokolyse eingesetzt wird. Eine gewisse tokolytische Wirkung konnte gezeigt werden, auch wenn die Datenlange aktuell sehr gering ist. Der Hauptvorteil von Bryophyllum pinnatum-Extrakt ist die Tatsache, dass kaum Nebenwirkungen auftreten (Von Mandach 2011). Bryophyllum-Kautabletten bieten sich daher besonders in Situationen an, in denen subjektiv störende Kontraktionen behandelt werden sollen, auch zusätzlich zu einer bestehenden Tokolyse.

4. Literatur

  • Alfirenic Z et al. Targeted therapy for threatened preterm labor based on sonographic measurement of the cervical length: a randomized controlled trial. Ultrasound Obstet Gynecol. 2007 Jan;29(1):47-50.
  • Han S et al. 2013. Magnesium maintenance therapy for preventing preterm birth after threatened preterm labour. Cochrane Database of Systematic Reviews Vol 5, 2013.
  • Hösli I et al. 2013. SGGG-Expertenbrief Nr. 41: Tokolyse bei vorzeitiger Wehentätigkeit. www.sggg.ch / Gynäkologie Feb. 2013.
  • King JF et al. 2011. Calcium channel blockers for inhibiting preterm labour. Cochrane Database of Systematic Reviews, The Cochrane Library 2011, Issue 2.
  • Lyell D et al 2007. Magnesium Sulfate Compared With Nifedipine for Acute Tocolysis of Preterm Labor. Obstetrics & Gynecology July 2007, 110 (1): 61.
  • Lyndrup J et al 2007. The choice of a tocolytic for the treatment of preterm labor: a critical evaluation of nifedipine versus atosiban. Expert Opin Investig Drugs. 2007 Jun; 16 (6): 843-53.
  • Von Mandach U 2011. Bryophyllum pinnatum in der Geburtshilfe und Gynäkologie. Info@Gynäkologie 03-2011.
  • Roos C et al 2013. Effect of Maintenance Tocolysis With Nifedipine in Threatened Preterm Labor on Perinatal Outcomes. JAMA, January 2013, 309 (1): 41.
  • www.fda.gov. 16.02.2011. NDA Terbutaline Safety Labeling Change Letter (Injection).

4.1 Literatur Bolustokolyse

  • Anotayanonth S, Subhedar NV, Neilson JP, Harigopal S. Betamimetics for inhibiting preterm labour (Review). Cochrane Database of Systematic Reviews. 4, 2009.
  • Berg G, Andersson RG, Rydén G. Effects of selective beta-adrenergic agonists on spontaneous contractions, cAMP levels and phosphodiesterase activity in myometrial strips from pregnant women treated with terbutaline. Gynecol Obstet Invest. 1982;14(1):56-64.
  • Berg G, Andersson RG, Rydén G. Beta-adrenergic receptors in human myometrium during pregnancy: changes in the number of receptors after beta-mimetic treatment.Am J Obstet Gynecol. 1985 Feb 1;151(3):392-6.
  • Dodd JM, Crowther CA, Middleton P. Oral betamimetics for maintenance therapy after threatened preterm labour. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Dec 12;12:CD003927. doi: 10.1002/14651858.CD003927.pub3.
  • Fisher JE, Smith RS, Lagrandeur R, Lorenz RP. Gestational diabetes mellitus in women receiving beta-adrenergics and corticosteroids for threatened preterm delivery. Obstet Gynecol. 1997 Dec;90(6):880-3.
  • Gyetvai K, Hannah ME, Hodnett ED, Ohlsson A. Tocolytics for preterm labor: a systematic review. Obstet Gynecol. 1999 Nov;94(5 Pt 2):869-77.
  • Herzog S, Cunze T, Osmers R, Kuhn W. Vergleichende Untersuchung maternaler Nebenwirkungen verschiedener Formen der intravenösen Therapie mit Fenoterol bei vorzeitiger Wehentätigkeit. Gynäkol Geburtshilfliche Rundsch 1995;35:73–79.
  • Herzog S, Cunze T, Martin M, Osmers R, Gleiter C, Kuhn W.Pulsatile vs. continuous parenteral tocolysis: comparison of side effects.Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 1999 Aug;85(2):199-204.
  • Spätling L, Fallenstein F, Schneider H, Dancis J. Bolus tocolysis: treatment of preterm labor with pulsatile administration of a beta-adrenergic agonist. Am J Obstet Gynecol. 1989 Mar;160(3):713-7.
  • Spätling L, Fallenstein F (Hrsg.): Bolustokolyse in Theorie und Praxis. Steinkopff Verlag Darmstadt, 1993. ISBN-13 978-3-642-72494-7.

Autor: I. Fähnle, A. Winkler
Autorisiert: M. Hodel

Aktualisiert: V. Uerlings
Version: 07.11.2023
Gültig bis 31.12.2024