Antithrombotische Therapie und Prophylaxe in der Schwangerschaft und im Wochenbett
- Luzerner Leitlinie in Kürze
- Zweck, Prinzip
- Begriffe und Abkürzungen
- Therapie eines thrombo-embolischen Ereignisses in der Schwangerschaft
- Peripartales Management bei Schwangeren unter Sekundärprophylaxe
- Postpartale Sekundärprophylaxe
- Prävention/Prophylaxe einer VTE in der Schwangerschaft
- Prävention einer VTE für Schwangere auf Flugreisen
- Mitgeltende Unterlagen
- Literatur
Luzerner Leitlinie in KürzeTherapie eines thrombo-embolischen Ereignisses in der Schwangerschaft
Schema zur Antikoagulation bei thromboembolischen Ereignis in der Schwangerschaft: Akute Phase (ersten 4 Wochen):
Danach Sekundärprophylaxe:
Peripartales Management bei Schwangeren unter Sekundärprophylaxe Das unten aufgeführte Schema ist eine Richtlinie und kann/soll immer der speziellen Situation der Patientin angepasst werden. Anästhesie mit einbeziehen.
=> Beginn mit Bolus 5000 IE i.v., und 200-300 IE/kg KG/24 Std. Liquemin® i.v. pro 24Std, in 500ml Glucose 5% (Infusionsgeschwindigkeit 7 Tropfen/Min). => Kontrolle anti-Faktor-Xa nach 4-6 Std. nach Therapiebeginn. Therapeutischer Bereich 0.35 – 0.7 U/ml muss innerhalb von 24 Std. erreicht werden. - Steht Geburt/Sectio/PDA bevor: Mind. 4-6 Std vor Geburt/Sectio/PDA Liquemin® stoppen. - PDA möglich wenn 4-6 Std. Liquemin gestoppt ist und anti-Faktor-Xa <0.1U/ml ist.
- Falls Blutungsrisiko klein/normal postpartal/postoperativ: => Direkter Beginn mit Fragmin möglich, 6 Std. nach SG/Sectio mit Dosis Fragmin 75 IE/kgKG s.c.. Ab erstem Tag postoperativ oder 2. Tag nach SG Fragmin Dosis auf 150 IE/kgKG 1x täglich s.c.
- Falls Blutungsrisiko hoch postpartal/postoperativ: => 4 Std. nach Geburt/Sectio Wiederbeginn mit Liquemin® iv. (Dosierung wie antepartal, bzw. je nach Blutungsrisiko tiefere Dosis) solange das Blutungsrisiko hoch ist. Danach Umstellung auf Fragmin 150IE/kgKG 1x täglich.
Nebeneffekte von Heparin: Blutungen, sehr selten Thrombopenie (HIT) und Hautnekrosen (HIT), unsicher Osteoporose (Therapiedauer > 7Wochen; häufiger bei UFH als NMH). |
Zweck, Prinzip
Häufigkeit:
Thromboembolische Erkrankungen treten in der Schwangerschaft etwa 4- bis 6-mal, im Wochenbett 20- bis 30-mal häufiger auf als bei nichtschwangeren Frauen.
Zusätzliche Risikofaktoren: Z.n. venöser Thromboembolie (VTE), Thrombophilie, Immobilisation, chirurgische Eingriffe, Adipositas, Mehrlingsschwangerschaft, Alter.
Begriffe und Abkürzungen
VTE = venöse Thromboembolie
HIT = Heparin-induzierte Thrombozytopenie
OAK = orale Antikoagulation
Primäre VTE = VTE ohne bekannten Auslöser
Sekundäre VTE = VTE ausgelöst durch Risikofaktoren wie Zustand nach Chirurgie, Trauma, Immobilisation, Reisen, schwere internistische KH, usw.
Therapie eines thrombo-embolischen Ereignisses in der Schwangerschaft
Die unten aufgeführten Schemas sind Richtlinien und können/sollten immer der speziellen Situation der Patientin angepasst werden. Die Hämatologen sollten grosszügig mit einbezogen werden.
- Therapie einer venösen Thromboembolie in der Schwangerschaft während der ganzen SS bis mind. 6-8 Wochen postpartal nötig.
- Gesamtdauer mind. 3 Monate bei sekundärer, mindestens 6 Monate lang bei primärer VTE oder Risikofaktoren für VTE persistieren.
- Therapie der 1. Wahl ist ein niedermolekulares Heparin (Bsp. Fragmin) nach untenstehendem Schema.
- Zusätzlich dazu bei akuten Beinvenenthrombose: Kompressionsstrümpfe Klasse II, Kühlende Umschläge und Mobilisation.
- Zusätzlich dazu bei akuten Lungenembolie: Halbsitzende Lagerung, Sauerstoffzufuhr (6L/min). Bei instabiler Pat. Schockbehandlung (Anästhesie beiziehen), ggf Verlegung auf IPS.
Schema zur Antikoagulation bei thromboembolischen Ereignis in der Schwangerschaft:
=> Akute Phase (ersten 4 Wochen):
- Fragmin® 100 IE/kg KG/12 stündlich subkutan.
- Anti-Faktor-Xa Kontrolle: Peak-Messung 2-4 h nach s.c. Injektion.
- Falls Dosisanpassung nötig. Nach 2. – 4. Dosis nach Dosisanpassung.
- Ziel anti-Faktor-Xa: 0.5 – 1.0 U/ml.
=> Danach Sekundärprophylaxe:
- Während ganzer SS und mind. 6-8 Wochen postpartal.
- Fragmin® 150 IE/kgKG/24 Std. s.c..
- Ziel anti-Faktor-Xa: 0.6 – 1.3 U/ml (=Erfahrungswert).
- Ab 36./38. SSW soll die Dosis auf 2 Gaben pro Tag aufgeteilt werden, zur besseren Steuerbarkeit bei Wehenbeginn.
- Kontrolle des anti-Faktor-Xa 1x pro Monat mit Tc-Kontrolle zusammen.
Peripartales Management bei Schwangeren unter Sekundärprophylaxe
Das unten aufgeführte Schema ist eine Richtlinie und kann/soll immer der speziellen Situation der Patientin angepasst werden. Anästhesie mit einbeziehen.
- Fragmin 24 Std vor Entbindung/Sectio/PDA stoppen.
- Beginn mit unfraktioniertem Heparin, Liquemin, zum Zeitpunkt wo die nächste Fragmingabe fällig wäre.
=> Beginn mit Bolus 5000 IE i.v., und 200-300 IE/kg KG/24 Std. Liquemin® i.v. pro 24Std, in 500ml Glucose 5% (Infusionsgeschwindigkeit 7 Tropfen/Min).
=> Kontrolle anti-Faktor-Xa nach 4-6 Std. nach Therapiebeginn. Therapeutischer Bereich 0.35 – 0.7 U/ml muss innerhalb von 24 Std. erreicht werden.
- Steht Geburt/Sectio/PDA bevor: Mind. 4-6 Std vor Geburt/Sectio/PDA Liquemin® stoppen.
- PDA möglich wenn 4-6 Std. Liquemin gestoppt ist und anti-Faktor-Xa <0.1U/ml ist.
Falls Blutungsrisiko klein/normal postpartal/postoperativ:
=> Direkter Beginn mit Fragmin möglich, 6 Std. nach SG/Sectio mit Dosis Fragmin 75 IE/kgKG s.c.. Ab erstem Tag postoperativ oder 2. Tag nach SG Fragmin Dosis auf 150 IE/kgKG 1x täglich s.c.
Falls Blutungsrisiko hoch postpartal/postoperativ:
=> 4 Std. nach Geburt/Sectio Wiederbeginn mit Liquemin® iv. (Dosierung wie antepartal, bzw. je nach Blutungsrisiko tiefere Dosis) solange das Blutungsrisiko hoch ist. Danach Umstellung auf Fragmin 150IE/kgKG 1x täglich.
Nebeneffekte von Heparin: Blutungen, sehr selten Thrombopenie (HIT) und Hautnekrosen (HIT), unsicher Osteoporose (Therapiedauer > 7Wochen; häufiger bei UFH als NMH).
Postpartale Sekundärprophylaxe
Grundsätzlich wie bei allen nichtschwangeren Patienten.
- Ab 1. Postoperativen Tag oder 2. Postpartalen Tag ohne Blutungsrisiko Fragmin® initial150IE/kgKG 1x täglich s.c für insgesamt mind. 6-8 Wochen postpartal.
- Oder Umstellung auf OAK (Marcoumar®), überlappend mit Fragmin bis INR-Wert 2x im gewünschten Bereich war (INR-Ziel-Wert 2-3).
- Nach Sectio sollte frühestens ab 3. Postop. Tag die Umstellung auf OAK ( Marcoumar®) begonnen werden, überlappend mit Fragmin bis INR-Wert 2x im gewünschten Bereich war (INR-Ziel-Wert 2-3).
Stillzeit:
- Unter NMH oder UNH ist Stillen möglich.
- Unter Marcoumar® muss dem Säugling 2 mg Konakion® peroral mindestens 1x pro Woche verabreicht werden und das KiSPi informiert werden.
- Unter Sintrom® muss dem Säugling kein Konakion verabreicht werden.
- Die neueren OAK sind kontraindiziert. (Fehlende Studien)
Prävention/Prophylaxe einer VTE in der Schwangerschaft
Indikation:
|
Schwangerschaft (NMH) |
Wochenbett (NMH/OAK) |
Langzeit OAK 1) |
+ |
+ |
Rezidivierende VTE |
+ |
+ |
Homozygote/multiple Defekte: |
|
|
Antithrombin-Mangel: |
|
|
Primäre VTE: 2) mit Thrombophilie ohne Thrombophilie |
+ + 3) |
+ + |
Sekundäre VTE: 4)
mit Thrombophilie ohne Thrombophilie |
(+) 3) (-) 3) |
+ (+) 3)
|
Thrombophilie und negative PA für VTE, aber positive FA für VTE |
(-) 3) |
(+) 3) |
Thrombophilie und negative PA für VTE, negative FA für VTE |
- |
(+) 3) |
1) „Mechanische Herzklappen“ siehe später.
2) Definition primäre VTE: ohne bekannten Auslöser
3) Beachte auch: Alter, Gewicht, Anzahl Geburten.
4) Pille und SS gilt hier nicht als „sekundär“. Definition sekundäre VTE: VTE ausgelöst durch Risikofaktoren wie Zustand nach Chirurgie, Trauma, Immobilisation, Reise, schwere internistische KH, usw.
- Alle mit VTE in Anamnese: Kompressionsstrümpfe Klasse II bis 6-12 Wochen nach der Geburt.
- Beginn der Prophylaxe sobald die Schwangerschaft bekannt ist.
- Tc-Kontrolle vor Therapiebeginn und 1x pro Monat, zusammen mit allfälliger anti-Faktor-Xa Kontrolle. (CAVE: HIT, selten)
- Dosis: 75 U/kg KG
- Anti-Faktor-Xa Kontrolle: 1x pro Monat (Peak-Messung); Ziel: 0.2 – 0.4 U/ml
Mechanische Herzklappen:
- NMH 100U/kgKG alle 12 STd. ab positivem SS-Test
- Peripartales Management in Absprache mit Hämatologie und Anänsthesie
- Postpartale Umstellung auf OAK
- Anti-Faktor-Xa Kontrolle: Peak-Messung erstmals nach der 3.-5. Dosis. Nach 2.-4. Dosis nach Dosisanpassung.
- 1x pro Monat anti-Faktor-Xa Kontrolle
- Ziel: 0.8 – 1.2 U/ml
- Tc-Kontrollen zusammen mit anti-Faktor-Xa Kontrollen
Spezielle Situationen:
=> Thrombophilie und Abort / IUGR
- NMH 75U/kgKG
- Anti-Faktor-Xa Kontrolle: 1x pro Monat (Peak-Messung)
- Ziel: 0.2-0.4 U/ml
- Tc-Kontrolle zusammen mit anti-Faktor-Xa
=> Antiphospholipid-AK / Lupus-Antikoagulanz und „Schwangerschaftsprobleme“
- Anamnese von 2 oder mehr Aborte oder > 1 IUFT, Präeklampsie oder IUGR.
- NMH wie bei ‚Prophylaxe einer VTE in SS‘
- Zusätzlich 100mg Aspririn sobald positive Herzaktion feststellbar bis 34 +0 SSW.
=> Thrombophilie und Präeklampsie
- NMH 75 U/kgKG
- Anti-Faktor-Xa Kontrolle: 1x pro Monat (Peak-Messung 2 – 4 h nach Gabe)
- Ziel: 0.4-0.6 U/ml
- Ggf gleichzeitige Gabe von Aspirin (RS mit LA Geburtshilfe)
- Tc-Kontrolle zusammen mit anti-Faktor-Xa Kontrolle
Prävention einer VTE für Schwangere auf Flugreisen
Grundsätzlich ist eine Thrombose-Prophylaxe in jedem Trimenon und bis 6 Wochen postpartal empfohlen, falls die Flugdauer > 6 Stunden dauert.
≤ 50kg -> Fragmin® 2500 IE s.c. 1x1
50-100kg -> Fragmin® 5000 IE s.c. 1x1
> 100kg -> Fragmin® 7500 IE s.c. 1x1
Mitgeltende Unterlagen
Die Tabelle dient als grobe Orientierung. Jedoch verwenden wir nicht das aPTT, sondern den anti-Faktor-Xa!
Literatur
ACCP-Guidelines, Antithrombotic Therapy and Prevention of Thrombosis in Pregnancy : 9th ED, 2012.
Boehlen F. et al: ‚Antithrombotische Therapie und Prophylaxe in Schwangerschaft und Puerperum‘: Swiss Medical Forum 2013; 13 (38): 741-743.
Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Internsivmedizin (DGAI), 2nd ED: Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und Thrombo-embolieprophylaxe/antithrombotische Medikation.
Unter Berücksichtigung diverser Richtilinien der Hämatologie LUKS
Autor: N. Mathys
Autorisiert: M. Hodel
Version vom 10.09.2014
Gültig bis 31.12.2024