Thrombocytopenie in der Schwangerschaft
- Luzerner Leitlinie in Kürze
- Zweck, Prinzip
- Begriffe und Abkürzungen
- Differentialdiagnosen einer Thrombopenie in der Schwangerschaft
- Abklärungen bei Thrombopenie in der Schwangerschaft
- Schwangerschaftsthrombopenie:
- Immunthrombozytopenische Purpura (ITP, Morbus Werlhof)
- Präeklampsie / Eklampsie / HELLP
- Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP, Moschkowitz-Syndrom)
- Hämolytische-urämisches Syndrom (HUS)
- Literatur
TTP: Thrombotisch-thrombozytopensische Purpura
ITP: Immunthrombozytopenische Purpura
HUS: Hämolytisch-urämisches Syndrom
APS: Antiphospholipid-Syndrom
SLE: Systemischer Lupus erythematodes
HIT: Heparin-induzierte Thrombozytopenie
Beschreibt Umgang mit Thrombopenie, der neben der Anämie 2. häufigsten hämatologischen Veränderung in der SS
- Definition: Reduktion der Plättchen auf < 130'000/μl
- Symptome: unklare Hämatome und ungewöhnliche Blutungen, Petechien, häufiges Nasen-/Zahnfleischbluten
häufig:
- Schwangerschaftsthrombopenie (harmlos)
- Immunthrombozytopenische Purpura (ITP)
- Präeklampsie, HELLP, DIG
- Infekt
- Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) und hämolytische-urämisches Syndrom (HUS)
seltener:
- HIV
- Malignome (z.B. Leukämien)
- Kollagenosen (Lupus erythematodes, Antiphospholipid-Syndrom etc.)
- Laborfehler (Thrombozytenaggregation bei EDTA-Blut)
- Medikamente z.B. Aspirin, Ampicillin, Penicillin, Carbamazepin, Phenytoin, Valproinsäure, Furosemid, Cimetidin, Ranitidin, Heparin (HIT)
- Hypersplenismus
- Die Unterscheidung zwischen SS-Tc-Penie und ITP ist sehr schwierig. Oft zeigt sich erst nach der Entbindung, ob es eine SS-Tc-Penie oder eine ITP war.
- Hg2 / Leuc Diff.
- Gerinnungsstatus nur in Rücksprache mit dem Fetomaternalen Team
- Grosses Gestoselabor (Link)
- CRP
- Ggf Tc-Zählung in Citratblut, bei Verdacht auf Tc-Aggregation im EDTA-Blut
- IUGR, uterine Hämodynamik?
- Präklampsie / HELLP ausschliessen (Hypertonie?, Proteinurie?)
- Bei Hämolysezeichen im Blut? -> Vd. a. TTP /HUS
- Pat. unter Heparin? -> HIT
- Medikamentenanamnese
Vorkommen bei bis zu 5 % aller Schwangeren.
Definition (5 Kriterien)
- Auftreten der Thrombozytopenie typischerweise erst in Spätschwangerschaft
- Negative Anamnese betreffend Tc-Penie (ausser in vorausgegangener SS)
- milde und asymptomatische Tc-Penie: Tc-Zahl selten < 100'000/μl (sicher aber > 70'000/μl)
- keine Assoziation mit einer fetalen Tc-Penie
- Spontaner Anstieg der Tc nach der Geburt
Therapie
- keine Therapie erforderlich, keine Gefahr für Mutter und Kind
- Jedoch regelmässige Tc-Kontrollen, da es eine Ausschlussdiagnose ist!
- Differenzialdiagnose: HELLP-Syndrom, ITP
Prävalenz: 1:1000 Schwangerschaften
- Definition: eine isolierte Tc-Penie ohne klinisch apparente Begleiterkrankungen oder andere Ursachen für eine Verminderung der Blutplättchen.
- Häufigster Grund für eine Tc-Penie im 1. und 2. Trimenon. (3-4% aller Schwangeren)
- Erstmanifestation in der Schwangerschaft ist eher selten.
- Bei AK der Klasse IgG kann Fetus betroffen sein, wegen diaplazentaren Transports.
- In ca 5-10% treten bei Kind, meist subpartal oder neonatal, Thrombozytopenien um die 50'000/μl, in < 1% Hirnblutungen auf.
Klinik:
- Hämaturie, Petechien (Beine, Arme, Brust-Nacken-Bereich)
- häufig Tc ≤ 50'000/μl
- verlängerte Blutungszeit
- Antikörper: gegen Tc-Antigene, v.a. IgG1 und IgG3
Diagnose:
- indirekt durch Ausschluss anderer Ursachen der Tc-Penie. D.h. liegt anfangs Schwangerschaft eine unklare Tc-Penie vor und ist ein Infekt, HIV, Lupus erythematodes, Medikamente oder ein Tumorleiden sehr unwahrscheinlich, kommt eigentlich gar nichts anderes in Frage!
- Direkter Nachweis von gebundenen und freien AK ist zu wenig spezifisch und sensitiv.
- Eine Diagnostik beim Fetus mittels Cordozentese oder Fetalblutentnahme peripartal wird nicht mehr empfohlen, da das Risiko einer fetalen Blutung oder Tod mit 2% grösser ist als das Risiko von 1%, postpartal eine Hirnblutung zu haben.
Therapie:
- Glukokortikoide und/oder Immunglobuline, ggf Splenektomie.
- Geburtsmodus ->primäre Sectio, da vaginal-operativer Entbindungsmodus kontraindiziert! → deswegen grosszügige Sectio, eine Spontangeburt ist aber möglich
- Peripartal: Tc > 50'000/μl sind nicht mit erhöhtem Risiko von Blutungen verbunden (ob vaginal oder Sectio)
- Postpartal: kein Aspirin, keine NSAR
CAVE: Maternale und fetale Tc-Werte korrelieren nicht. Fetale Tc werden durch die Therapie der Mutter nicht beeinflusst; für den Feten ergeben sich in der SS aber auch keine Probleme. Da die Halbwertszeit von transfundierten Tc's kürzer ist, sollten diese Transfusionen für akute Blutungsepisoden oder perioperativ reserviert werden.
- Hier nur kurz zur Tc-Penie:
- Ca. 15 % der Schwangeren mit einer Präeklampsie entwickeln im Verlauf auch eine Thrombozytopenie.
- Eine schwere Thrombozytopenie mit Tc's < 50'000/µl entwickeln < 5% der Präeklampsie-Pat.
- Das Neugeborene hat kein erhöhtes Risiko selbst an einer Tc-Penie zu leiden.
- Die Unterscheidung zw. einer Präeklampsie/Eklampsie/HELLP mit ausgeprägter Tc-Penie und Hämolyse von einer TTP-HUS ist meist schwierig.
- Die Therapie der Präeklampsie/Eklampsie/HELLP ist die Entbindung.
- Falls eine schwere Tc-Penie und Hämolyse über 3 Tagen postpartal persistiert, sollte auch an eine TTP-HUS gedacht werden. Das Zeitintervall von 3 Tagen postpartal beruht aber nicht auf klinischer Evidence!
Definition:
ist eine thrombotische Mikroangiopathie auf dem Boden eines Endothelzellschadens, die grundsätzlich alle Organsysteme betreffen kann.
Klinik:
Trias in 75% vorhanden
- schwere Coombs-negative hämolytische Anämie
- Thrombozytopenie
- Neurolog. Symptome (Krämpfe, passagere Hemiparesen)
Nierenfunktionsstörungen
Fieber bei 60%
Differenzialdiagnose zu Präeklampsie/HELLP: Progression der hämatologischen Abnormalitäten über mehr als 3 Tage postpartal.
Vorgehen:
Hämatolog. Konsil bei Verdacht
Therapie: Plasmaaustauschtherapie, Kontakt mit Hämatologie
Klinik:
- mikroangiopathische hämolytische Anämie
- Thrombozytopenie
- akutes Nierenversagen
Prozedere:
Plasmaaustauschtherapie, Kontakt mit Hämatologie
Webert KE et al. A retrospective 11-year analysis of obstetric patients with idiopathic thrombocytopenic purpura. Blood 2003 ; 102 :4306.
Autor: N. Mathys, M. Hodel
Autorisiert: M. Hodel
Version: 30.12.2014
Gültig bis: 30.12.2024