Interruptio / IUFT / Abortinduktion 12 1/7 SSW bis 23 6/7 SSW

20.04.20 - Überarbeitet von S. Verta

14.11.19 - Kapitel "Organisatorisches" eingefügt

Inhaltsverzeichnis

 

Zweck, Prinzip

Diese Arbeitsanweisung regelt das Vorgehen bei einem medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch ab 12 1/7SSW bis 23 6/7 (Interruptio oder Spätabort)

Analgetisches Schema bei Abortinduktion siehe unter

Analgetisches Schema bei Abortinduktion ab 12+1

Vorgehen bei IUFT ab 24 0/7 SSW siehe unter

IUFT ab 24 0/7 SSW

 

Begriffe und Abkürzungen

Abort: Vollständiger oder teilweiser Abgang von Schwangerschaftsmaterial vor Erreichen der Lebensfähigkeit (s. Zivilstandsregister). Der Abort kann spontan oder induziert sein. Der Abort kann infolge einer Erkrankung der Mutter oder des Embryo/Feten auftreten.

Spätabort: Abort zwischen der 12 1/7 SSW und 21 6/7 SSW

Intrauteriner Fruchttod: Intrauterines Versterben ab oder Totgeburt ab 22 0/7 SSW oder Geburtsgewicht von mindestens 500 g

Medizinisch indizierter Abort: Intervention, um eine Schwangerschaft zu beenden, auch induzierter Abort. Schwangerschaftsabbruch auf Wunsch der betroffenen Frau, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft die Gesundheit der Mutter in Gefahr bringt oder wenn der Embryo oder der Foetus von einer schweren und unheilbaren Missbildung oder Krankheit betroffen ist.

UAW: Unerwünschte Arzneimittelwirkung

KI: Kontraindikation

Flowchart

Flowchart Abortinduktion / medizinisch indizierter Abort 12 1/7 bis 23 6/7SSW

Abortinduktion 12 1/7SSW bis 23 6/7SSW

Laboruntersuchungen

    Diese Abklärungen können die präkonzeptionelle Beratung, die pränatalen Abklärungen und das neonatale Management verändern. 

    Wenn Ursache IUFT bereits pränatal eindeutig ist, kann nach Rücksprache mit fetomaternalem Team auf eine ausgedehntere Diagnostik verzichtet werden, dann nur präoperatives Labor und Type & Screen. 

    Folgende Tests sind als generelles Screening in absteigender Reihenfolge nützlich: 

    1. Plazentapathologie
    2. Fetale / Kindliche Autopsie: Einwilligung der Eltern erforderlich, Download Autopsieauftrag: https://www.luks.ch/sites/default/files/Auftragsfo...
    3. Genetik: Mikroarray (Amniozentese oder Nabelschnurblut, Hautbiopsie postpartal, Cave: Kostengutsprache, nur in bis zu 2% d.F. auffällig bei unauffälligem spezialisiertem Ultraschall)
    4. Antiphospholipidantikörper: Lupus-Anticoagulans, beta-2-Glyokprotein, Kardiolipin-Antikörper
    5. Hb F (fetales Hämoglobin in mütterlichem Blut)
    6. Virus-Serologien: Parvovirus B19, CMV
    7. TSH, fT4
    8. HbA1c
    9. sFlt / PlGF- Quotient
    10. Lupus-Antikörper: anti-La-SSa, anti-Ro-SSb
    11. Gezielte Anamnese auf: Präeklampsie, Thrombophilie, Substanzabusus

    Gezieltes Screening (auf spezielle ärztliche Verordnung):

    • Kleines Gestoselabor bei Hinweis auf Präeklampsie oder IUGR
    • Bei fetalem Hydrops: Antikörpersuchtest, Parvovirus-B19-Serologie, ggf. Hb-Elektrophorese bei entsprechender Herkunft oder Familienanamnese oder auffälligem Blutbild, Fruchtwasser (Amniozentese) zur Untersuchung auf metabolische Erkrankung / Speicherkrankheit
    • Bakteriologische Abstriche (maternal, fetal, plazentar) bei Zeichen von Chorioamnionitis
    • Drogenscreening bei anamnestischen Hinweisen
    • Syphilissuchtest, HIV-Test, Hepatitis B und C-Serologien bei anamnestischen Hinweisen, Herkunft aus Endemieregionen
    • Thrombophiliescreening bei anamnestischen Hinweisen und fehlender bisheriger Abklärung
    • Bei IUGR, Ventrikulomegalie oder sonographischen Hinweiszeichen: Toxoplasmose-Serologie

     

      Organisatorisches

      • unterschriebene Aufklärungsformulare: Aufklärung über Abortinduktion (analog medikamentöse Interruptio) und Aufklärung über die Nachcurettage
      • Klären ob Autopsie und / oder genetische Abklärung gewünscht wird (dies dokumentieren)
      • Klären wann Eintritt auf Pränatalabteilung möglich ist (mit Bettendisposition Geburtshilfe)
      • Kostengutsprache beantragen bei Wunsch nach postpartaler Genetik
      • Nachbesprechung 3 Monate später in FKL anbieten und Termin in der IUFT-Sprechstunde bei Dr. M. Hodel, Dr. J. Kohl oder Dr. A. Winkler
      • Meldung wird vom Arzt ausgefüllt, der Abbruch/Geburt auf Station mitbetreut hat
      • Meldung wird weitergeleitet an Sekretariat Chefarzt Geburtshilfe, wird von dort nach extern versandt
      • Es entsteht eine Indikation zum Abbruch grundsätzlich nur aus maternaler Indikation (s,a, StGB Art 119)

       

      Mifegyne / Cytotec

      • Tag 1: 600 mg Mifegyne per os, ambulant Mo bis Fr über das Ambulatorium für Schwangere, Sa / So über die Pränatalstation durch Arzt abgegeben und unter Aufsicht eingenommen
      • Tag 2 (nach 24 h): 800 µg Cytotec intravaginal stationär auf Pränatalstation (durch Assistenzarzt eingelegt), falls es nach 6 h nicht zur Geburt  kommt weitere 200 µg Cytotec intravaginal alle 6h.
      • Bei St. n. Sectio oder nach Uteruseingriffen mit Eröffnen des Cavums kann dieses Schema auch angewandt werden, allerdings mit einer reduzierten initialen Cytotec-Gabe intravaginal (200 µg).
      • UAW Mifegyne: Überempfindlichkeitsreaktionen, Angioödem, Kopfschmerzen, arterielle Hypotonie, Übelkeit (in bis zu 29%), Erbrechen (in bis zu 21%), leichte bis mässig starke Abdominalkrämpfe, Diarrhö, Unwohlsein, allgemeine vagale Symptome (Hitzewallungen, Benommenheit, Schüttelfrost), Fieber.
      • KI Mifegyne: Chronische Nebennierenrindeninsuffizienz, schweres, nicht kontrollierbares Asthma bronchiale, Vererbte Porphyrie 
      • UAW Cytotec: Kopfschmerzen, Schwindel, leichte bis mittelgradige Diarrhö und abdominale Schmerzen (5–15%). Nausea, Dyspepsie, Erbrechen, Flatulenz, Obstipation, Fieber, Schüttelfrost.

       

      Nalador

      • Indikation: frustrane Einleitung mit Cytotec über 48h
      • Infusion: 1 Ampullen à 500 µg Sulproston in 500 ml NaCl 0.9%, Dosierung 100ml = 100µg pro Stunde = 1.67µg/min, maximale Infusionszeit 10h
      • Fehlende Geburt => Wiederholung am Folgetag, häufig jedoch Geburt im Intervall.
      • Wichtig: Überwachungsblatt anlegen, engmaschige Überwachung von Puls, Blutdruck, SaO2, Temperatur (in der ersten Stunde ¼-stündlich, dann ½-stündlich).
      • CAVE: Nalador-Gabe nur im Gebärsaal, Mobilisation nur in Begleitung (BD-Abfall).
      • UAW: Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Blutdruckabfall, Bradykardie, Koronarspasmen, Myokardischämie, Druckerhöhung im Pulmonalkreislauf (bis hin zum Lungenödem), Bronchokonstriktion, Übelkeit, Erbrechen, Spasmen im Ober- und Mittelbauch, Diarrhoe, Subfebrile oder febrile Temperaturen. 
      • Bereitstellung folgender Materialien und Medikamente bei UAW auf Nalador: Intubationsbesteck, Ambu-Beutel, Ultracorten H à 100mg, Ventolin Spray, Euphyllin-Amp. Tavegyl Amp. 
      • KI: lebensfähiges Kind, vorausgegangene Uterusoperationen, akute gynäkologische Infektionen, vorgeschädigtes Herz (auch ohne Dekompensationszeichen), koronare Herzerkrankung oder andere Gefässerkrankungen in der Anamnese, schwere Hypertonie, Thyreotoxikose, Asthma bronchiale oder spastische Bronchitis, Colitis ulcerosa, akutes Ulcus ventriculi, zerebrale Anfallsleiden, dekompensierter Diabetes mellitus, schwere Leberinsuffizienz, schwere Niereninsuffizienz, Glaukom, Sichelzellenanämie oder Thalassämie, schwere Krankheiten im Allgemeinen, Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe gemäss Zusammensetzung

       

      Postpartal

      Plazentalösung / Nachcurettage

      • Bei Plazentaretention oder unvollständiger Plazenta: Plazentalösung und Nachcurettage im OP
      • Bei makroskopisch vollständiger Plazenta: sonographische Kontrolle, bei Vd.a. Restmaterial Nachcurettage. 
        • Die Operation sollte primär in der FKL möglich sein, entscheiden muss dies der verantwortliche Gebs-OA (am besten sollen wie bei "Sectio-Stufe" Gebs-OA und Anästhesie-OA dies mit einander absprechen)

      Abklärungen

      • Abstrichentnahme von der Plazenta (maternal, fetal und Amnion)
      • Plazenta ad Histologie bei bestimmter Fragestellung (z.B. Chorioamnionitis, Infarkt), Verordnung für die Histologie in EPIC machen, wichtig: Kopie an Zuweiser!
      • Genetische Abklärung:
        • Auftragsformular: Genetica Auftragsformular
        • Abortmaterial: 30 bis 50 mg Chorion- oder Plazentagewebe (ca. 1x1cm) (fetaler Anteil) oder kindliche Gewebestücke aseptisch in NaCl oder Chorion-Transportmedium entnehmen
        • Hautbiopsie: Hautstück (3x5mm) aseptisch in NaCl oder Chorion-Transportmedium: Röhrchen im Tiefkühler im Zimmer E25
        • Mit Printer versehen und in weissen Transportschutz legen. Weisses Auftragsformular ausfüllen und beides in vorgedrucktes Genetica-Couvert legen und an Empfang der FKL bringen. Genetica anrufen und informieren, dass das Material unterwegs ist (044 251 90 94). Wichtig: rascher Versand möglich per Express, Material bis zum Transport im Kühlschrank aufbewahren.
        • Autopsie: Autopsie des Kindes am pathologischen Institut LUKS (mit Einverständnis der Eltern zur Autopsie), Formulare (Anmeldung zur Autopsie und Angaben zur Beerdigung und Autopsie müssen mitgegeben werden)

       

      Abstillen

      siehe auch Abstillen

      Medikamentös mit Dostinex 2Tbl. à 0.5 mg p.o. innert 24 h nach Geburt ab der 16. SSW.

      Bei Wunsch nach nicht medikamentösem Abstillen: Kalte Wickel, Pfefferminz- und Salbeitee, Petersilie, Stützender BH, alternative Medizin ist eine engmaschige Beurteilung der Mammae durch eine Hebamme wichtig um bei Zeichen des Milcheinschusses vorzeitig reagieren zu können (ev. sekundäres Medikamentöses Abstillen mit Dostinex ½ Tablette 12-stündlich, insgesamt 2 Tbl. p.o.)

      Merkblatt für Patientinnen zum natürlichen Abstillen
      Natürliches Abstillen.pdf

      Rhophylac

      Bei Rhesusnegativität: Rhophylac 300 i.v.

      Ärztliches Zeugnis

      • Ärztliches Zeugnis für ambulante Hebammenbetreuung
      • Arbeitsunfähigkeitszeugnis (z.B. 100% für 4 Wochen, abh. vom Wunsch der Frau)

      Nachkontrolle

      • Nach ca. 4 Wochen beim betreuenden Gynäkologen oder im Ambulatorium für Schwangere, Besprechung der Abklärungen, Autopsiebefund meist noch nicht vorhanden.
      • Nach Erhalt des Autopsiebefundes immer eine Nachbesprechung im Ambulatorium für Schwangere anbieten.

       

      Links

      Informationen für verwaiste Eltern | Luzerner Kantonsspital (luks.ch)

      Verfahrensanweisung intern abrufbar auf Teams unter Klinisches Wissen / Gynäkologie-Geburtshilfe / Dokumente / Fachwissen Geburtshilfe / INTER-IUFT-ABORT / PD FKL VA Interruptio, Abort und IUFT.docx

       

       

      Referenzen

      Page JM 2017 Obs Gyne

      Korteweg FJ 2012 Am J Obstet Gynaecol

       

      Autor: I. Kaufmann, A. Winkler
      Autorisiert: M. Hodel

      Aktualisiert: V. Uerlings, S. Bösch, C. Diebold
      Version: 04.12.2023
      Gültig bis: 31.12.2024