Diabetes mellitus Typ 1 und 2
vor und während Schwangerschaft

Inhaltsverzeichnis
  • Schwangerschaft sollte geplant werden. Risiken grösser als bei GDM.
  • Gewichtsabnahme bei BMI über 27.
  • HbA1c monatlich: Ziel unter 7 %, reduziert Risiko für fetale Fehlbildungen
  • Absetzen teratogene Medikamente (ACE-Hemmer, Statine).
  • Bei HbA1c-Werte über 8 - 10%: Sichere Kontrazeption
  • Zusätzliche Untersuchungen: Augenhintergrund, Nierenfunktion: Albuminurie, Serumkreatinin, Albumin-Kreatinin-Quotient, eGFR, TSH.
  • Aufklärung über mütterliche Risiken (Neuropathie, Nephropathie, Retinopathie)
  • Diabetische maternale Retinopathie: Progressionsrisiko abhängig vom perikonzeptionellen Ausgangsstatus. Bei Erstmanifestation oder Progression der diabetischen Retinopathie in der Schwangerschaft monatlich Augenkontrollen bzw. in Absprache mit dem Augenarzt
  • Diabetische maternale Nephropathie ist per se keine Kontraindikation für eine Schwangerschaft. Bei einem Serumkreatininwert ab 1,5 mg/dl (133 μmol/l), einer Nephropathie ab Stadium 3 nach KDOQI (GFR < 60 ml/min) oder medikamentös schwer regulierbarer arterieller Hypertonie mit fortbestehenden Blutdruckwerten > 140/90 mmHg soll auf die besonders hohen mütterlichen und fetalen Risiken einer Schwangerschaft hingewiesen und ggf. von einer Schwangerschaft abgeraten werden.
  • Embryonale-fetale Risiken: Das Fehlbildungsmuster ist unspezifisch: Neuralrohrdefekte, konotrunkale Herzfehler, Omphalozelen, Skelettanomalien, Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege.  Einige seltene Fehlbildungen (kaudales Regressionssyndrom, Small-left-colon-Syndrom) gelten als typisch. Ferner ist das Risiko für Spätabort, IUFT, Fehlbildung, Makrosomie, Schulterdystokie, Asphyxie, Anpassungsstörung und ungünstige fetale Programmierung erhöht. 
  • Präeklampsiescreening gemäss FMF
  • Generell: Mitbeurteilung der BZ-Werte (Büechli) bei allen Schwangerschaftskontrollen. Regelmässige Berichte an und von mit betreuenden Diabetologen. Oben genannte Zusatzuntersuchungen sollten gewährleistet sein. Sie sind meist vom betreuenden Diabetologen in die Wege geleitet.
  • Postkonzeptionelle Zielwerte wie bei GDM. Blutzuckertagesprofil mit 6 Messungen. Nüchtern ≤ 5,3 mmol/l. 1 Stunde nach der Hauptmahlzeit ≤ 8,0 mmol/l. 2 Stunden nach der Hauptmahlzeit ≤ 7,0 mmol/l.
  • Hypoglykämierisiko erhöht im I. Trimenon (8.-15. SSW). Zudem schlechtere Hypoglykämie-Selbstwahrnehmung. BZ sollte immer über 4mmol/l sein. Notfallmedikamente (Traubenzucker, Glukagon) bereithalten.
  • I. Trimenon: HbA1c, Augenhintergrunduntersuchung (falls nicht in den letzten 6 Monaten erfolgt) und Nierenuntersuchung (Nierenfunktionsuntersuchungen wie oben) falls nicht in den letzten 3 Monaten vor Konzeption erfolgt. Die eGFR während Schwangerschaft nicht brauchbar.
  • Wiederholung Augenhintergrunduntersuchung: Regulär in der 28. SSW. Bei Retinopathie: in der 16. SSW.
  • II. Trimenon: HbA1c. Spezialisiertes Organscreening, besonders wenn Hba1c-Wert präkonzeptionell oder im I. Trimenon erhöht war
  • III. Trimenon: HbA1c. Biometrie ab 28. SSW, dann alle 3-4 Wochen.
  • Ab 36. SSW: Biophys. Profil (CTG, Kindsbewegungen, Atembewegungen, Fruchtwassermenge) wöchentlich
  • Lungenreifeinduktion: Zusätzlicher Insulinbedarf, Tokolyse nicht mit beta-Mimetika
  • Geburtseinleitung mit 37 0/7 bis spätestens 38 6/7 SSW. Elektive Geburt vor 37 0/7 bei metabol. Komplikation. Keine Terminüberschreitung.
  • Die diabetische Retinopathie ist keine evidensbasierte Sectioindikation. Bei Laserung in den letzten Monaten kann eine instrumentell assistierte vaginale Geburt zur Erleichterung der AP in Erwägung gezogen werden.
  • Prävention Schulterdystokie: Sektio bei Schätzgewicht > 4500g (ACOG, DGGG). Schulterdystokie bereits in Anamnese? Es gelten höhere Schätzgewichte für die Erwägung einer Sektio ohne Diabetes oder andere Risikofaktoren.
  • Schätzgewicht durch erfahrenen Ultraschaller/-in. Bei Verdacht auf Makrosomie kann die vorzeitige Geburtseinleitung ab der abgeschlossenen 37. SSW erwogen werden (DGGG 2010).
  • Entbindungsklinik mit Neonatologie. Kind bleibt a priori bei Mutter, spezielle Überwachung, ggf. Hospitalisation.
  • Intra- und postpartale Insulingabe und Monitoring (Verlinkung mit: Diabetes: Insulin- und Glukosemanagement intra-/peripartal)
  • Ophthalmologisches Follow up nach 6 Monaten bei Retinopathie

Alle Schwangeren mit diabetischer Stoffwechsellage: Geburt in einem Spital mit kinderärztlicher Überwachung und der Möglichkeit einer intravenösen Glukosebehandlung des Kindes.

Bei Schwangeren mit insulinbedürftiger diabetischer Stoffwechsellage und absehbarer Gefährdung des Kindes: Geburt in einem Zentrum mit neonatologischer Verfügbarkeit rund um die Uhr (Perinatalzentrum).

Anpassungsstörung des Neugeborenen: Atemstörungen, Hypoglykämie, Polyglobulie mit Erythroblastose, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie und Hyperbilirubinämie. Die oft anzutreffende septal betonte Myokardhypertrophie ist klinisch meist nicht relevant. Bei sehr schlechter mütterlicher Stoffwechseleinstellung kann es in seltenen Fällen zu lebensgefährlichen kardiorespiratorischen Beeinträchtigungen kommen, infolge von obstruktiver hypertropher Kardiomyopathie, pulmonaler Hypertension und schwerem Atemnotsyndrom. Eine weitere schwerwiegende, seltene Komplikation stellt die venöse Nierenthrombose dar.

Postnatale Hypoglykämie des Neugeborenen: Die Hypoglykämie ist die häufigste Anpassungsstörung. Nach schweren symptomatischen neonatalen Hypoglykämien sind permanente Schäden im Marklager und der grauen Substanz beschrieben. Aus diesen Veränderungen können später zentrale Sehstörungen, Zerebralparesen, psychomotorische Entwicklungsdefizite und Epilepsien resultieren. Nach einer perinatalen Azidose sind bereits Blutglukosekonzentrationen < 2,5 mmol mit stärkeren neurologischen Schäden assoziiert. Im Gegensatz zu anderen Komplikationen einer diabetischen Fetopathie korreliert das Risiko für postnatale Hypoglykämien nicht ohne weiteres mit der mütterlichen Stoffwechsellage gegen Ende der Schwangerschaft.

https://www.kispi-wiki.ch/application/files/2514/8...

NICE Guideline 2015, Diabetes in Pregnancy
AWMF S3 Leitlinie 2014, Diabetes und Schwangerschaft
SOCG 2016 Clinical Practice Guideline No. 334, Diabetes in Pregnancy
Jünemann A et al., Der Ophtalmologe 2012 (109)3:229–234 Einfluss des Geburtsmodus auf vorbestehende Augenerkrankungen
Boulvain M et al., Induction of labour versus expectant management for large-for-date fetuses : a randomized controlled trial. Lancet 2015 385(9987):2600-5

Segerer H et al. S2k-Leitlinie. Betreuung von Neugeborenen diabetischer Mütter. Z Geburtsh Neonatol 2018

Autor: A. Winkler, S. Fischli
Autorisation: M. Hodel
Version vom: 02.11.2016
Gültig bis: 30.06.2021