Anämie in der Schwangerschaft
12.04.21 - Änderung Aufklärungsprotokoll Anämie in der Schwangerschaft
- Zweck, Prinzip
- Begriffe und Abkürzungen
- Diagnostik- Weitere Abklärung bei Anämie in der Schwangerschaft
- Stufenschema bei Eisenmangelanämie
- Orale Therapie
- Intravenöse Therapie
- Rekombinantes Erythropoetin
- Literatur
Eine Anämie sollte abgeklärt und therapiert werden, da dann das Risiko für mütterliche Komplikationen (schwere peripartale transfusionspflichtige Anämie, Infektionen, hypertensive Erkrankungen) und kindliche Komplikationen (intrauterine Wachstumsretardierung, Frühgeburt, IUFT, postpartaler Eisenmangel des Säuglings und Kleinkindes mit konsekutiver Entwicklungsstörung) steigt.
Definition der Anämie in der Schwangerschaft:
• 1. Trimenon: Hb < 110g/L
• 2. Trimenon: Hb < 105g/L (aufgrund verstärkter Hämodilution im 2. Trimenon)
• 3. Trimenon: Hb < 105g/L
- Schema Ambulatorium: Hämatogram (Hg1) jeweils im Rahmen des 1./2./3. Screenings (wenn Patientin in der Schwangerschaft durch uns betreut wird), je nach Indikation auch öfter
- Ferritin < 30µg/L im 1. Trimenon: Perorale Eisensubstitution unabhängig vom Hb, da Eisenspeicher leer.
- Anämie mit normalem oder erhöhtem Ferritin: Abklärung weiterer Ursachen (Folsäure- oder Vitamin-B12-Mangel, Hämoglobinopathie, Sichelzellanämie, Infektanämie, Blutungsanämie)
- Hämoglobin-Elektrophorese oder Hämoglobin-Chromatographie (HPLC, high performance liquid chromatography) zur Abklärung einer β-Thalassämie oder einer anderen Hämoglobinopathie bei:
- positiver Familienanamnese bei der Schwangeren oder dem Partner
- Anämie ohne Eisenmangel (Ferritin normal)
- MCV < 70 fL oder MCH < 27 pg
- in Abhängigkeit von der Ethnie (cave unauffälliges Blutbild bei Sichelzellanämie).
- Bei Verdacht auf α-Thalassämie: Genetische Diagnostik. Hier ist die Hb-Elektrophorese ungeeignet
- Beim Nachweis einer – meistens heterozygoten – Hämoglobinopathie: Angebot einer Partnerabklärung und invasiven Pränataldiagnostik, wenn ein relevantes Risiko für den Feten vorliegt
- Bei unklarer Anämie, insbesondere bei erhöhtem oder hochnormalem MCV/MCH und/oder bei vegetarischer oder veganer Ernährung oder bei Hyperemesis gravidarum: Bestimmung von Holotranscobalamin (Vitamin B12) und Folsäure
- Hb 100 - 110g/L: Fe (80-100mg) p.o. 1 x täglich → Hb-Kontrolle nach 4 Wochen*
- Hb 90 - 99g/L: Fe (80-100mg) p.o. 2 x täglich → Hb-Kontrolle nach 2 Wochen*
- Hb <90/L: Ferinject® i.v. (Dosis s.u.) → Hb-Kontrolle nach 2 Wochen*
*Kontrollen von Hg1: Hb-Anstieg sollte >10g/L innert 14 Tagen sein. Bei unzureichendem Anstieg auch Retikulozytenzahl bestimmen (gibt Auskunft über den Eisenzustand der letzten 5 Tage → Fehlendes Ansteigen der Retikulozyten weist auf eine Malcompliane, Malabsorption oder falsche Diagnose (DD: Thalassamie minor, etc.) hin.
- Ferritin-Kontrollen frühestens nach 3 Monaten unter Fe-Substitution. Ferritin ideal bei 50-80 μg/L, dann sind die Eisenspeicher gut gefüllt!
- allen Schwangeren mit Eisendefizit sollte zu eisenhaltiger Ernährung geraten werden (z.B. Rindfleisch, Haferflocken, Mandeln, Bohnen, Linsen, Kichererbsen, Spinat)
Präparate
- Eisen II+: z.B. Gyno-Tardyferon, Ferrum Hausmann, Kendural
Ideal 1 Stunde vor dem Essen mit Orangensaft; Resorption ca. 10%
- Eisen III+: z.B. Maltofer
Einnahme mit Mahlzeit oder danach; schlechtere Resorption, daher nur bei Fe II+ -Unverträglichkeit / Fe iv-Unverträglichkeit
Kontraindikationen für Eisenpräparate per os:
-
- gastric bypass
- starke uterine Blutung
- chronische entzündliche Darmerkrankungen
- schwere Leber- oder Nierenfunktionsstörung
- Eisenüberladung/Eisenverwertungsstörungen
- hereditäre hamorrhagische Teleangiectasie (Morbus Osler)
Indikationen
- Fehlendes Ansprechen auf orales Eisen (Hb-Anstieg um weniger als 10 g/L innerhalb von 14 Tagen)
- Unverträglichkeit von oralen Eisenpräparaten (gastrointestinale Nebenwirkungen) oder fehlende Compliance
- Verminderte Resorption: St.n. bariatrischer Chriurgie, chronisch entzündliche Darmerkrankungen
- Schwere bzw. fortgeschrittene Anämie (Hb < 90 g/L)
- Notwendigkeit der raschen und effizienten Anämiekorrektur (fortgeschrittenes Gestationsalter, Placenta praevia, Zeugen Jehovahs etc.)
Aufklärung
- Alle Schwangeren und Wöchnerinnen bei denen eine intravenöse Eisensubstitution geplant ist benötigen eine schriftliche Aufklärung
- Aufkärungsprotokoll
Ferinject® (Eisencarboxymaltose)
Stechampullen à 500mg/10ml oder 100mg/2ml
- im ersten Trimenon kontraindiziert
- akute Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp (anaphylaktische/anaphylaktoide Reaktionen) möglich → Überwachung, ggf. Therapie
- maximal 1000mg / Woche
Venofer (Eisen lll-Sacharat)
Ampullen à 100mg/5ml
Indikation für Venofer: Ferinject-Unverträglichkeit
- im 1. Trimenon kontraindiziert
- akute Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp (anaphylaktische/anaphylaktoide Reaktionen) möglich → Überwachung, ggf. Therapie
- höchstens 1x wöchentlich (bei >70 kg): 500 mg Eisen (25 ml Venofer); bei ≤70 kg 7 mg Eisen/kg
Die Evidenz zur Verabreichung von rekombiniertem Erythroposetin (rhEPO) sind begrenzt. In Sonderfällen kann dies in jedoch in Betracht gezogen werden. Indikation erfolgt durch OA/LA/CA.
SGGG, Expertenbrief No 48. (2017). Diagnostik und Therapie der Eisenmangelanämie in der Schwangerschaft und postpartal.
Bencaiova G et al. Schwerpunkt: Anämie in der Schwangerschaft. Gynäkologie 2016
ACOG Practice Bulletin No. 95: anemia in pregnancy. Obstet Gynecol 2008, reaffirmed 2019
Pavord S et al. UK guidelines on the mangement of iron deficiency in pregnancy. British Journal of Haematology, 2020
Autor: I. Kaufmann, 13.06.2018
Aktualisiert: A. Fiedler 31.03.2021
Visiert: A. Winkler
Gültigkeit: 31.12.2024