VBAC - Beratung bei Wunsch nach vaginaler Geburt nach Sectio

Ziel

Beratungsgrundlage bei Wunsch nach vaginaler Geburt nach Sectio caesarea

Abkürzungen/Definitionen

  • VBAC – Vaginal birth after caesarean
  • TOLAC – Trial of labor after caesarean
  • ERCB – Elective repeat caesarean birth
  • PRCB – Planned repeat caesarean birth
  • CS  - Caesarean section
  • KI – Kontraindikation
  • LUS – lower uterine segment / unteres Uterinsegment
  • WT - Wehentätigkeit
  • DR - Dammriss
  • PAS - Placenta accreta - Spektrum
  • Uterusruptur – Ruptur aller Wandschichten des Uterus inklusive Serosaüberzug oder Ruptur von Wandschichten mit Blutung
  • Dehiszenz der Uterotomie = «Isthmocele» - atraumatische Dehiszenz des Myometriums im Bereich der alten Uterotomie
  • TOLAC oder VBAC - TOLAC («trial») entspricht der Situation beim Beratungszeitpunkt besser. Die AWMF-und NICE-Guideline bevorzugen aber VBAC. Daher intern: VBAC bevorzugen.
  • ERCB oder PRCB - kein Unterschied, keine Präferenz

 

Wen/wann beraten

  • Jede Schwangere mit Wunsch nach VBAC soll vor Geburt ärztlich im Haus beraten werden
  • Geburtszuweisungen mit Wunsch nach VBAC sollen für ein ärztliches Geburtsvorgespräch triagiert werden
  • Ideal 30-34 SSW
  • Im Schwangeren-Ambulatorium

Kontraindikationen

  • Status nach 2 oder mehr CS (Anm. NICE-Guideline: keine KI)
  • Status nach Längsuterotomie oder T-Uterotomie
  • Status nach Ruptur
  • Alle üblichen geburtshilflichen KI (z.B. Placenta praevia, Querlage)
  • Full LUS-thickness (siehe unten) <= 2.0mm oder V.a. Dehiszenz

 

Keine Kontraindikation jedoch höheres Risiko

  • Gemini
  • Geburtseinleitung generell möglich, aber zurückhaltend mit Prostaglandinen, ggf <36+0 SSW (link Geburtseinleitung)
  • St.n. II° Sectio bei Fehleinstellung

Sonographische Beurteilung der Uterotomie

  • Sensitivität und Spezifität leider schlecht, kann bei sehr dünnem LUS aber Hinweiszeichen auf erhöhtes Rupturrisiko bei VBAC geben
  • Ein klarer cutoff der Wandstärke zur Risikoabschätzung existiert nicht
  • Sensitivität UND Spezifität schlecht
  • Zeitpunkt Messung ideal so terminnah wie möglich
  • Sweep in Sagittalschnitt von parametran bis parametran.
  • Gemessen wird transabdominal und transvaginal bei mittlerer Blasenfüllung im vergrösserten Ausschnitt das Rest-Myometrium UND die Blasenwand an der dünnsten Stelle = "Full LUS Thickness"
  • Wenn die dünnste Stelle von abdominal aus nicht sicher einsehbar ist oder Verdacht auf eine Dehiszenz besteht: immer plus transvaginale Sonographie
  • Bei einer minimalen Dicke von <= 2.0 mm deutlich erhöhtes Rupturrisiko (4,5)

Beispielbild Messung (4)

«Erfolgsrate» VBAC und Rupturraten aus Literatur

  • Allgemein Rate vaginale Geburt bei versuchter VBAC ca. 70% (range ca. 50-80%)
  • Tabelle aus NICE-Guideline 2015 (2):

Risiken und Vorteile VBAC vs ERCB

Tabelle in Anlehnung an NICE-Guideline 2015 (2)

 

Planned VBAC

ERCB ab 39+0 SSW

Mütterliches outcome

Ca. 70% vaginale Geburt

 

Planbarkeit (wird von manchen Frauen geschätzt) 

 

 

Bei vag. Geburt kürzerer Aufenthalt, raschere Erholung

 

Längerer Aufenthalt postpartal, mehr postoperativer Schmerz

 

0.5-1% Rupturrate

 

Rupturrate nicht gleich 0%, aber annähernd 0%

 

Option Sterilisation im Wochenbett bedeutet separaten Eingriff

Option Sterilisation bei Sectio
- aber Wunsch nach Ster. allein keine gute Indikation zur Sectio!

 

Höhere kurzfristige Rate an Urininkontinenz

-

 

Zukünftige vaginale Geburt wahrscheinlicher

Nach 2x Sectio in domo Empfehlung zur I° Re-re-Sectio

 

 

-

Mit Anzahl der Sectiones steigt Wahrscheinlichkeit von PAS und Adhäsionen

 

Risiko höhergradiger DR bis zu 5%

-

 

Vaginal operative Geburten wahrscheinlicher (bis zu 39% in Lit.)

-

 

Maternal death
4 / 100.000

Maternal death
13 / 100.000

 

Kindliches outcome

Respiratorische Insuffizienz 2-3%

Respiratorische Insuffizienz 4-5%
(6% bei I° Sectio 38+ SSW)

 

IUFT-Risiko bei Zuwarten >39+0 steigt relativ an, absolut wenig: 10/10.000 = 0.1%

entfällt bei Sectio 39+0

 

Hypoxisch-Ischämische Enzephalopathie
8/10.000 = 0.08% (Schwere Geburtskomplikationen häufiger aber immer noch extrem selten)

Hypoxisch-Ischämische Enzephalopathie
1/10.000 =  <=0.01%

 

Kindlicher Tod 0.04% = absolut sehr tief, vergleichbar zu vaginaler Geburt einer Nullipara

Risiko nicht gleich 0% aber annähernd 0%

Information der Schwangeren

  • Positive, nicht nur auf Risiken abzielende Gesprächsführung
  • Wunsch der Schwangeren wichtig und zu erfragen
  • Vorteile und Nachteile VBAC vs PRCB sind zu sehen vor der allgemeinen Abschätzung von Vorteilen und Risiken vaginaler Geburt vs. Sectio siehe Tabelle oben
  • Der komplikationsärmste Entbindungsweg für Mutter und Kind nach Sectio ist die erfolgreiche VBAC, am komplikationsreichsten ist eine II° Notsectio (Endometritis, Blutung, Intensivaufenthalt, Morbidität). 
  • Erfolgreiche VBAC in ca 70%
    • Wenn vor der CS bereits mindestens ein vaginaler Partus liegt, dann Chance auf VBAC deutlich besser (RCOG 85-90%) und Rupturrisiko tiefer
  • Rupturrisiko bei VBAC 0.5-1.2 %, bei ERCB <=0.2% ((1), siehe Tabelle RCOG (2))
    • Mögliche Komplikationen einer Ruptur: Notfallsectio, Blutung, schwere kindliche Asphyxie
  • Für den Fall einer ERCB: Info über Empfehlung zu primärer Re-re-Sectio in einer Folgegravidität
  • Risiko PAS erhöht in Abhängigkeit der Anzahl an CS
    • bei Schwangerschaft nach 1x Sectio 0.2%
    • bei Schwangerschaft nach 2x Sectio 0.3% = OR 1.3
    • bei Schwangerschaft nach 3x Sectio 0.6% = OR 2.4
  • Falls Geburtseinleitung notwendig:
    • reduzierte Einleitungsoptionen, reduzierte "Erfolgsrate"
    • >36+0 SSW keine Prostaglandine, nur Foley-Katheter sequentiell mit Oxytocin/KBS
    • <=36+0 SSW Propess im off-label-use / nach Fachinfo kontraindiziert
    • Rupturrisiko bei eingeleiteter VBAC mit OR 2-3 höher als bei VBAC mit spontaner WT, bei Wehenaugmentation mit OR ca 2 höher
    • Rate II° Sectio nach Einleitung erhöht (RCOG OR 1.5 zu VBAC mit spontaner WT)
  • PDA: keine Einschränkung
  • CTG: intensivierte Überwachung ab Geburtsbeginn

Infomaterial

  • Aufklärungsbroschüre SGGG Stand 2007 "informationsblatt für Schwangere nach vorausgegangenem Kaiserschnitt "(link)
  • jeder Frau bei Beratung auszuhändigen, in Notiz zu dokumentieren.
  • liegt im Ambi Schwangere aus

Literatur

(1) SGGG Guideline Sectio Caesarea, 2015

(2) NICE Guideline: Green-top Guideline No 45, Birth after previous caesarean birth, October 2015

(3) AWMF S3-Leitlinie Sectio caesarea, Version 1.0, Juni 2020, AWMF-Registernummer 015-084

(4) Jastrow N, Vikhareva O, Gauthier RJ, Irion O, Boulvain M, Bujold E. Can third-trimester assessment of uterine scar in women with prior Cesarean section predict uterine rupture?. Ultrasound Obstet Gynecol. 2016;47(4):410-414. doi:10.1002/uog.1578

(5) Kok N, Wiersma IC, Opmeer BC, de Graaf IM, Mol BW, Pajkrt E. Sonographic measurement of lower uterine segment thickness to predict uterine rupture during a trial of labor in women with previous Cesarean section: a meta-analysis. Ultrasound Obstet Gynecol. 2013;42(2):132-139. doi:10.1002/uog.12479

(9) Guise JM, Eden K, Emeis C, Denman MA, Marshall N, Fu R, et al. Vaginal Birth After Cesarean: New Insights. Evidence Reports/ Technology Assessments, No. 191. Rockville, Maryland, USA: Agency for Healthcare Research and Quality; 2010.

(18) Landon MB, Hauth JC, Leveno KJ, Spong CY, Leindecker S, Varner MW, et al.; National Institute of Child Health and Human Development Maternal–Fetal Medicine Units Network. Maternal and perinatal outcomes associated with a trial of labor after prior cesarean delivery. N Engl J Med 2004;351:2581–9.

(20) Fitzpatrick KE, Kurinczuk JJ, Alfirevic Z, Spark P, Brocklehurst P, Knight M. Uterine rupture by intended mode of delivery in the UK: a national case-control study. PLoS Med 2012;9:e1001184

(22) Dekker GA, Chan A, Luke CG, Priest K, Riley M, Halliday J, et al. Risk of uterine rupture in Australian women attempting vaginal birth after one prior caesarean section: a retrospective population-based cohort study. BJOG 2010;117:1358–65.

(103) Landon MB, Leindecker S, Spong CY, Hauth JC, Bloom S, Varner MW, et al.; National Institute of Child Health and Human Development Maternal-Fetal Medicine Units Network. The MFMU Cesarean Registry: factors affecting the success of trial of labor after previous cesarean delivery. Am J Obstet Gynecol 2005;193:1016–23.

Autor: J. Kohl
Autorisiert: M. Hodel
Erstellt: 04.06.2024
Version: 05.06.2024